„Nürnberg II“ – ein internationales Tribunal zur Aburteilung der russischen „Hauptkriegsverbrecher“

In seinem Gastbeitrag erklärt Winfried Schneiders-Deters, ein in Deutschland und der Ukraine lebender Autor und ehemaliger Leiter von nationalen und regionalen Projekten der Friedrich-Ebert-Stiftung, welche Instrumente zur Anklage der russischen Kriegsverbrechen verfügbar wären, welche Schritte für ein „Nürnberg II“ gemacht werden müssten und ob man Wladimir Putin überhaupt vor Gericht stellen könnte. 

Dieser Blogbeitrag ist eine Kurzfassung. Den vollständigen Text finden Sie hier

 

I. Nürnberg I“ – Der Prozess gegen die deutschen „Hauptkriegsverbrecher“

Nach der militärischen Niederlage des Großdeutschen Reiches wurden von den alliierten Siegermächten die deutschen „Hauptkriegsverbrecher“ abgeurteilt. Die „Nürnberger Prozesse“ setzten Maßstäbe für die Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts. In dem Statut des Internationalen Militärgerichtshofes (Charter of the Nuremberg Tribunal, 1946) heißt es: „…die folgenden Handlungen, oder jede einzelne von ihnen, stellen Verbrechen dar, für deren Aburteilung der Gerichtshof zuständig ist:  

a) Verbrechen gegen den Frieden,
b) Kriegsverbrechen,
c) Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. 

Das „Nürnberger Urteil“ gilt als juristischer Präzedenzfall für die Verurteilung von Angriffskriegen. Als „Verbrechen gegen den Frieden“, wie das „Verbrechen der Aggression“ in Nürnberg noch genannt wurde, galt nach Artikel 6a des Statuts des Nürnberger Internationalen Militärgerichtshofs die „Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Durchführung eines Angriffskrieges oder eines Krieges unter Verletzung internationaler Verträge, […] oder die Beteiligung an einem gemeinsamen Plan […] zur Ausführung einer der genannten Handlungen“. 

 

Die vier “Kernverbrechen” des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes 

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH, Engl.: International Criminal Court / ICC) verfolgt seit dem Jahre 2002 vier „Kernverbrechen“ („core international crimes“), die in Art. 6-8bis des IStGH-Statuts („Römisches Statut“) definiert sind: 

a) Verbrechen der Aggression,
b)
Kriegsverbrechen,
c) Völkermord,
d) Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

 

„Verbrechen der Aggression“ – das „supreme international crime“ 

Ein Verbrechen der Aggression („Verbrechen gegen den Frieden“ im Nürnberger Prozess) ist die Ursache aller weiteren Verbrechen. In der Urteilsbegründung des Internationalen Militärtribunals heißt es: „To initiate a war of aggression […] is not only an international crime; it is the supreme international crime differing from other war crimes, in that it contains within itself the accumulated evil of the whole”.1  

 

„Kriegsverbrechen“ – schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht 

Juristisch wird der Begriff „Kriegsverbrechen“ als schwerer Verstoß gegen das „humanitäre Völkerrecht“ (International Humanitarian Law / IHL) definiert, das seinerseits maßgeblich durch die „Haager Landkriegsordnung“ von 1907 und durch die vier „Genfer Konventionen“ von 1949  bestimmt wird.  

 

„Völkermord“ – hohe völkerrechtliche Anforderungen 

Das Verbrechen des Völkermords ist in Art. II der „Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord“ der Vereinten Nationen vom 9. Januar 1948 definiert, und in Art. 6 des Römischen Statuts vom 17. Juni 1989 wortgleich normiert. Russland und die Ukraine haben das IStGH-Statut im Jahre 2000 zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert; beide Staaten aber haben sich der Völkermord-Konvention unterworfen. 

Um völkerrechtlich als Völkermord eingestuft werden zu können, muss ein Sachverhalt hohe Anforderungen erfüllen. Die Völkermord-Konvention definiert in Artikel II fünf Tathandlungen als Völkermord, wenn sie „in der Absicht begangen werden, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“ […]. Der Nachweis, dass die Absicht der gänzlichen oder teilweisen Zerstörung vorliegt, ist in viele Fällen schwer zu erbringen. 

 

„Verbrechen gegen die Menschlichkeit“  

Wenn nicht nachweisbar ist, dass die physisch-biologische Zerstörung einer Gruppe angestrebt wurde, bleibt juristisch die Möglichkeit, die betreffende Handlung als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nach Art. 7 des IStGH-Statuts einzustufen – ebenfalls ein „Kernverbrechen“.  

 

II. Die vier völkerrechtlichen „Kernverbrechen“ Russlands

a) Russlands Verbrechen der Aggression  

Russlands Verbrechen der Aggression im Weltsicherheitsrat und in der Vollversammlung der Vereinten Nationen 

Der russische Präsident Putin hat das schwerste aller völkerrechtlichen Verbrechen begangen, das Verbrechen der Aggression (Art 5, Abs. 1, Buchstabe d) des Römischen Statuts des Internationalen Gerichtshofs vom 17. Juli 1998, konstatiert Prof. em. Otto Luchterhand. „Der verbrecherische Überfall auf die Ukraine ist […] die Ursache aller weiteren seither von den russischen Streitkräften und ihrer politischen und militärischen Führung an allen Frontabschnitten begangenen Völkerrechtsverbrechen“.2 

Eine gegen Russlands Einmarsch in die Ukraine gerichtete Resolution scheiterte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen am Veto der Russländischen Föderation. In der Abstimmung im Weltsicherheitsrat am 25. Februar 2022 votierten von den 15 Mitgliedern 11 dafür, Russland dagegen; China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate enthielten sich. 

Die Vollversammlung der Vereinten Nationen verurteilte den russischen Angriffskrieg in ihrer Resolution A/RES/ES-11/1 vom 2. März 2022 mit der weit über dem Quorum (129 Stimmen) liegenden Mehrheit von 141 Stimmen. Doch war der Beschluss nicht verbindlich, da Resolutionen der Vollversammlung aller Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen – im Gegensatz zu Resolutionen des 15-köpfigen Sicherheitsrats – völkerrechtlich nicht bindend sind.  

 

Das Recht der Ukraine auf „Selbstverteidigung“ und die „kollektive Selbstverteidigung“ 

„Der Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine begründet in seltener Eindeutigkeit das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine nach Art. 51 der UN-Charta“, versichert Prof. Matthias Herdegen. 

Eine legitime Selbstverteidigung kann laut Christian Tomuschat als „kollektive Selbstverteidigung“ organisiert werden.3 „Andere Staaten dürfen der Ukraine gegen den Angriff Beistand leisten – auch ohne UN-Mandat“, erklärte Herdegen in einem (schriftlichen) Interview mit dem juristischen Magazin „Legal Tribune Online“.4 Durch bloße Waffenlieferungen an einen angegriffenen Staat wird ein Land noch nicht zu einer Konfliktpartei.  

 

b) Russische Kriegsverbrechen Möglichkeiten internationaler Strafverfolgung

Der Art. 8 des IStGH-Statuts – „Kriegsverbrechen“ – beinhaltet Verstöße gegen die Regeln der Kriegsführung, wonach militärische Gewalt nur gegen Kombattanten und militärische Objekte angewandt werden darf. Präsident Putin führt systematisch Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung.5 Die systematische Zerstörung der zivilen Infrastruktur bedeutet den Einsatz des „Winters als Kriegswaffe“ (US-Präsident Joe Biden).  

„Nach internationalem Strafrecht haben sich die Befehlshaber der russischen Streitkräfte, an ihrer Spitze Präsident Putin, schwerer Kriegsverbrechen schuldig gemacht,“ urteilt Christian Tomuschat. Da ein internationaler Haftbefehl gegen die russische Führung realiter nicht vollstreckt werden kann, hätte er, wenn er denn verhängt würde, ohnehin nur symbolischen Wert. Doch sind die hierarchisch unterhalb dieser Ebene involvierten Akteure nicht gegen Strafverfolgung gefeit; sie können wegen „Beteiligungshandlungen“ belangt werden.  

 

c) Russischer Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung

Zum Nachweis von Völkermord verlangt die internationale Rechtsprechung grundsätzlich, dass die „physisch-biologische Zerstörung“ der „Gruppe“ (i. S. d. Genozid-Konvention) angestrebt wurde; die Vernichtung ihrer politischen, sozialen und kulturellen Existenz ist nicht ausreichend.  

 

Russischer Kinderraub – Völkermord nach Art. 2 der Genozid-Konvention  

Die Verschleppung ukrainischer Kinder durch russische Besatzungsbehörden in den von der russischen Armee besetzten Gebieten der Ukraine erinnert an den deutschen Kinderraub während des II. Weltkriegs im besetzten Polen. Der Tatbestand internationaler Kindesentführung wurde in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verurteilt. 

Nach der Definition des Begriffs Völkermord (Genozid) in Art. 2 der Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Verbrechens des Völkermords (1948) gilt der erzwungene Transfer von Kindern von einer Gruppe („group“ i. S. d. Konvention) in eine andere als Genozid.6   

Laut dem „Institute for the Study of War“ / ISW, Washington), begann Russland, offen die Zwangsadoption ukrainischer Kinder aus dem Donbas durch russische Familien zu fördern. Russische Beamte sollen bis November 2022 rund 150 000 Kinder aus dem Donbas nach Russland verschleppt haben.7  

 

d) Russlands Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Zu den eklatanten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von der russischen Soldateska und von den russischen Besatzungsbehörden in der Ukraine begangen wurden, gehören  

Flucht und Vertreibung (Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks UNHCR führte der russische Angriff auf die Ukraine zur größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg.)  

Verschleppung und Deportation (Die US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield sagte auf einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am 8. September 2022, dass Schätzungen zufolge zwischen 900.000 und 1,6 Millionen Menschen aus ihren Heimatorten deportiert worden seien.)  

Ethnische Säuberung (Das US-amerikanische „Institute for the Study of War / ISW vermutet, dass die russischen Besatzungsbehörden ethnische Säuberung betreiben, indem sie besetzte ukrainische Gebiete durch Deportationen entvölkern und mit russischen Bürgern neu besiedeln.)  

„Filtrierung“ – „Selektion“ in russischen Lagern (Die US-Regierung beschuldigte im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen das russische Militär, in dem von ihm besetzten Gebiet der Ukraine „Filtercamps“ („Filtrationslager“) zu unterhalten, aus denen festgenommene Ukrainer nach „Filtrierung“ gegen ihren Willen nach Russland deportiert würden.8 Vielfach verschwänden „Ausgesonderte“ spurlos.) 

 

III. Ein „Nürnberg II“ zur Aburteilung russischer Hauptkriegsverbrecher 

In der gemeinsamen „Berliner Erklärung“, mit der das Treffen der Justizminister der G 7 Staaten, das am 28. Und 29. November 2022 in Berlin stattfand, abgeschlossen wurde, haben sich die sieben Justizminister verpflichtet, die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen in der Ukraine vor Gericht zu bringen. Die „strafrechtliche Verfolgung der Kernverbrechen des Völkerrechts hat für uns oberste Priorität“, sagte der deutsche Gastgeber, Justizminister Marco Buschmann.  

 

Die Eilentscheidung des Internationalen Gerichtshofes vom 16. März 2022 

Wenige Tage nach der russischen Invasion am 24. Februar 2022 erhob die Ukraine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof  / IGH (International Court of Justice / ICJ) in Den Haag, und beantragte in einem Dringlichkeitsverfahren Sofortmaßnahmen gegen die Russländische Föderation. Die Ukraine berief sich in ihrem Antrag auf die Konvention über die Verhütung und Bestrafung von Völkermord“9 vom 9. Dezember 1948 (Völkermord-Konvention), der sowohl die Ukraine als auch Russland als Parteien angehören. Kiew wehrte sich gegen die Behauptung Moskaus, dass die Ukraine Völkermord an den in der Ukraine lebenden Russen begehe; mit dieser haltlosen Behauptung hatte Russland u. a. die Invasion gerechtfertigt.   

Der IGH gab der Ukraine in der Sache mit großer Mehrheit „(fast) in vollem Umfange Recht“ – mit 2 Gegenstimmen von 15 Stimmen insgesamt (Richterin Xue aus China und Richter Gevorgian aus Russland). Das Gericht wies Russland an, die militärischen Operationen auf dem Territorium der Ukraine unverzüglich einzustellen. 

 

Der Internationale Strafgerichtshof  – keine Anlaufstelle für die Verurteilung des russischen „Verbrechens der Aggression“  

Der Internationale Strafgerichtshof (International Criminal Court / ICC) ist allerdings nicht die geeignete Anlaufstelle für die Verurteilung des russischen Verbrechens der Aggression. Zwar fällt das „Verbrechen der Aggression“ seit der Änderung des Römischen Statuts im Jahre 2010 in Kampala (Uganda) in die Zuständigkeit des IStGH, doch ist der IStGH für Staatsangehörige der Russländischen Föderation nicht zuständig, da diese das Römische Statut nicht ratifiziert hat.  

Es gibt derzeit kein Gericht, das für Fälle der individuellen strafrechtlichen Verantwortung russischer Staatsangehöriger für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine zuständig ist. 

 

Ein neues internationales ad hoc Tribunal  

Die „Lücke in der Architektur des internationalen Rechts“ 

Im März 2022 wurde in einer öffentlichen Erklärung, die von vielen namhaften Politikern und renommierten Juristen (unter ihnen Benjamin Ferencz, der letzte überlebende Ankläger des  Nürnberger Militärtribunals) unterzeichnet wurde, zur Schaffung eines Sondergerichtshofes für die Strafverfolgung des Verbrechens der Aggression gegen die Ukraine aufgerufen.

Einer der Unterzeichner dieser Erklärung war der renommierte britisch-französische Jurist Philippe Sands.11 In einem Artikel in der Financial Times vom 28. Februar 2022 – „Putin’s use of militäry force is a crime of aggression”  – hatte Sands bereits einen Sonderstrafgerichtshof für Verbrechen der Aggression vorgeschlagen, um Individuen für das Verbrechen der Aggression zur Verantwortung ziehen zu können. Aggression sei ein „Führungsverbrechen“, für das die Staatsführung verantwortlich sei. Wenn nur „Kriegsverbrechen“, „Völkermord“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ untersucht und verfolgt würden, dann blieben die Hauptverantwortlichen straffrei, argumentiert Sands. Philippe Sands sieht eine „Lücke in der Architektur des internationalen Rechts“ und schlägt zur Schließung dieser Lücke die Schaffung eines Sonderstrafgerichtshofs zur Verfolgung des „Verbrechens der Aggression“ vor. 

 

Die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europa-Rates vom 26. Januar 2023 

Am 26. Januar 2023 nahm die Parlamentarische Versammlung des Europa-Rates (Parliamentary Assembly of the Council of Europe / PACE) in Straßburg – einstimmig – die Resolution 2482 an, in welcher sie die Schaffung eines internationalen Sondergerichtshofes zur Strafverfolgung der russischen Führung forderte.

In Punkt 1. der Resolution wiederholt „die Versammlung“ nicht nur, dass die militärische Invasion der Ukraine eine „Aggression“ im Sinne der Resolution 3314 (XXIX) der Vollversammlung der Vereinten Nationen von 1974 und einen klaren Bruch der Charta darstelle, sondern anerkennt auch, dass die russische Aggression gegen die Ukraine nicht erst mit der Invasion am 24. Februar 2022 begonnen hat, sondern dass “the ongoing aggression is a continuation of the aggression started on 20 February 2014, which included the invasion, occupation and illegal annexation of Crimea by the Russian Federation” – eine bemerkenswerte Anerkennung der hybriden Intervention im Donbas und der militärischen Besetzung der Krim als “Aggression”.  

 

Der Mechanismus der UN-Resolution “Vereint für den Frieden“  

Die „Uniting für Peace“ der Vollversammlung der Vereinten Nationen von 1950 

Die United Nations General Assembly (UNGA) Resolution 377 A (V) „Uniting for Peace“ Resolution („Vereint für den Frieden“) besagt, dass in Fällen, in denen der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen aufgrund fehlender Einstimmigkeit seiner fünf ständigen Mitglieder nicht in der Lage ist, die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden zu gewährleisten, die Vollversammlung der Vereinten Nationen den Fall umgehend erörtern muss; die Vollversammlung kann den Mitgliedern der Vereinten Nationen angemessene gemeinsame Maßnahmen empfehlen – einschließlich den Gebrauch bewaffneter Kräfte, wenn dies nötig ist, um die internationale Sicherheit und den internationalen Frieden wiederherzustellen. Die Resolution war am 3. November 1950 mit 52 gegen 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen worden. Mit ihr wurde der Mechanismus der „Dringlichkeits-Sondersitzung“ – „Emergency Special Session“ / ESS (Notstands-Sondertagung) geschaffen. 

 

Reaktivierung der Uniting for Peace Resolution im Jahre 2022 

Am 25. Februar 2022, ein Tag nach dem Beginn seiner Invasion der Ukraine, blockierte Russland mit seinem Veto eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, in welcher Russlands Angriff auf die Ukraine scharf verurteilt wurde, und ein sofortiger Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine gefordert wurde. 

Um eine Verurteilung des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen zu erreichen, griffen die USA auf die „Uniting for Peace“ („UfP“) Resolution aus dem Jahre 1950 zurück. Am 27. Februar 2022 beschloss der Sicherheitsrat mit Zweidrittelmehrheit, eine Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung (UN General Assembly) – nach dem „Uniting for Peace“ / UfP -Verfahren –  für den 28. Februar 2022 zur Erörterung der russischen Invasion in der Ukraine einzuberufen (Resolution 2623). Elf Mitglieder des Sicherheitsrates stimmten für den Resolutionsentwurf der USA gegen die Stimme Russlands bei drei Enthaltungen. 

 

Die Resolution ES-11/1 der Vollversammlung der Vereinten Nationen 

Am dritten Sitzungstag (2. März 2022) der Dringlichkeits-Sondersitzung (Emergency Special Session / ESS)  – der 11. seit Gründung der Vereinten Nationen – nahm die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution ES-11/1 mit 141 Stimmen an – bei 5 Gegenstimmen und 35 Enthaltungen.14 Darin wurde Russland aufgefordert, seine rechtswidrige Gewaltanwendung gegen die Ukraine unverzüglich einzustellen. 

Die Resolution ES-11/1 charakterisierte die russische Invasion als einen Akt der „Aggression“ – ein völkerrechtliches Verbrechen. Die Russländische Föderation wurde darin aufgefordert auf, “to cease its use of force against Ukraine” und “to immediately, completely and unconditionally withdraw all of its military forces from the territory of Ukraine within its internationally recognized borders.”  

 

„Hybride Strafgerichte“ 

Die Befugnisse der Vollversammlung der Vereinten Nationen beschränken sich auf Empfehlungen. Die Befugnis zur Ergreifung von Durchsetzungsmaßnahmen (“enforcement action“) ist das exklusive Vorrecht des Sicherheitsrates. Doch hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen durch ihre Praxis in der Vergangenheit eine Umgehungsmöglichkeit ihrer Begrenzungen aufgezeigt: Die Vollversammlung kann die Ausübung strafrechtlicher Jurisdiktion von einem oder mehreren ihrer Mitgliedsländern unterstützen. Seit dem Jahre 2000 werden so genannte „Hybride Strafgerichte“ gebildet, die auf Vereinbarungen zwischen den betroffenen Staaten und den Vereinten Nationen beruhen.

 

IV. Bestrafung des „Hauptverantwortlichen“ Putin 

Zum Abschluss ihres virtuellen Treffens am 12. Dezember 2022 in London, an welchem der ukrainische Präsident Volodymyr Zelenskij per Video-Schaltung teilnahm, erklärten die Staats- und Regierungschefs der „G-7“, dass sie den russischen Präsidenten Putin für den Überfall auf die Ukraine zur Verantwortung ziehen würden.  

Der britische Jurist Geoffrey Nice, Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien und leitender Staatsanwalt im Prozess gegen Slobodan Milošević, ist der Meinung, dass der Präsident der Russländischen Föderation, Vladimir Putin für die russischen Kriegsverbrechen persönlich zur Verantwortung gezogen werden sollte, wie er in einer Sendung von „BBC Radio 4“ am 1. Januar 2023 sagte. „Es bestehen keine Zweifel, dass die Befehlskette direkt zu Putin führt. […] Er ist schuldig, urteilte Nice. 

 

„Funktionelle Immunität“   

Der Präsident der Russländischen Föderation, Vladimir Putin, ist nicht nur durch Russlands Veto-Recht im Weltsicherheitsrat vor internationaler Strafverfolgung geschützt, sondern auch aus einem völkerrechtlichen Grund: Er genießt sogenannte „funktionelle Immunität“. Hochrangige Funktionsträger eines Staates – Staatspräsidenten, Premierminister und Außenminister – sind durch „funktionelle Immunität“ für Handlungen, die sie in ihrer amtlichen Funktion ausüben, vor der Strafverfolgung durch Drittstaaten geschützt. 

Doch wird der Schutz von Staatschefs vor völkerstrafrechtlicher Verfolgung in Fällen von „Kernverbrechen“  (Verbrechen der Aggression, Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit) durch neuere Entwicklungen im Völkerrecht immer mehr herabgesetzt. Vor internationalen Gerichten wurden Strafverfahren selbst gegen amtierende Staatschefs zulässig. Der serbische Präsident Slobodan Milošević wurde vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien / IStGHJ (International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia / ICTY) angeklagt.  

Das IStGH-Statut erkläre, „jegliche amtliche Immunität wird für unbeachtlich“, konstatiert Helmut Kreicker, Richter am Bundesgerichtshof.16 Art. 27, Abs. 2 des Statuts lautet: „Immunitäten […] die nach […] dem Völkerrecht mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, hindern den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person.“ Völkerrechtliche Immunitäten stehen also einer Strafverfolgung durch den IStGH nicht entgegen. 

 

Der „Fall Putin“ – eine außerrechtliche Lösung? 

Da der russische Präsident Vladimir Putin – wenn auch umstrittenen – juristischen Schutz vor Strafverfolgung, und wahrscheinlich auch faktischen Schutz vor Auslieferung genießt, bleibt prima facie nur eine außerrechtliche Möglichkeit, Gerechtigkeit walten zu lassen. Und weil auch ein Suizid (à la Hitler) unwahrscheinlich ist, bedürfte es eines „Tyrannicidiums“, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Ob sich aber ein russischer Claus Schenk Graf von Stauffenberg findet, ist allerdings eher unwahrscheinlich.  

 

Winfried Schneider-Deters 

Kyjiw, 9. Februar 2023 

 

Winfried Schneider-Deters, seit 2004 Autor von Veröffentlichungen zur Innen- und Außenpolitik der Ukraine, 1996-2000 Leiter des „Kooperationsbüros Ukraine“ der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kyjiw, 1975-2003 Leiter von nationalen und regionalen Projekten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Lateinamerika, Ostasien, Zentralasien und im Südkaukasus. 

 

Die Inhalte werden redaktionell bearbeitet, geben aber nur die Meinung der Verfasser*innen wieder. 

A Trip Down Woodstock Road

It’s very early and freezing cold when I start my trip to the Vienna Airport. I’m taking the first flight to London, so I can make it in time for the Russian and East European Studies Discussion Group at the University of Oxford. Anna J. Davis has invited me to talk about my latest book Ukraine in Central and Eastern Europe, and also the IDM. From Gatwick I take a direct bus to Gloucester Green and have now three hours almost for myself. Spoilt by Austrian mobile internet, cross-country trips in other European states give you involuntary digital detox. Or is it maybe Brexit slowing down roaming for EU member networks? Anyway, I use the opportunity to also work on my pile of fiction books that I haven’t read yet. I’ve forgotten why I picked William Boyd’s Waiting for Sunrise”, or how I came across it. Maybe because it is set in Vienna. But while I am on my way to Woodstock Road, where St. Antony’s College is located, I read this: 

While I walk past the mentioned place, my phone alerts me that the Moldovan government has just stepped down. I can’t really grasp it, too many things happening at the same time. A cabinet reshuffle had been rumoured, but why would the whole cabinet resign? A question we’re also debating during my input for the discussion. The room is located in the old part of St. Antonys’s the church now functions as the library. A stark contrast to the owl standing on the table. The 360-degree camera offers the possibility to participate virtually and still see whoever speaks around the table. We discuss how the idea for the book was developed, the challenges during the compilation as well as how the full-scale invasion has changed the relevance of the content. Austrian neutrality, German hesitancy, and Hungarian reluctance towards supporting Ukraine are debated. We also talk about the IDM, the transition of its mission during the past 70 years, and the importance of a regional think tank. It is over far too quickly, and the diverse and knowledgeable group is a delight to exchange opinions with. I am still processing all the impressions while I am already back in the train towards Paddington Station.  

I meet with a friend in the evening for dinner in London. As a journalist, she writes a lot and we talk about the process. We both perceive it as painful, she gestures slitting her wrists open. Hemingway comes to mind. “There’s nothing to writing. All you do is sit down at a typewriter and bleed”. I would add that sweet release, when something is finished, when it is out there in the world. But it also never ends. Sitting in the Stansted Express, I type these words, thinking about all the things I still haven’t written. But also about how incredibly privileged it is to have the possibility to publish my own thoughts and opinions, as well getting to talk about them with all these interesting people in different settings and countries. For the rest of the journey, I try to finish Boyd. So the list of things I haven’t read gets a little shorter. 

 

Author: Sebastian Schäffer 

 

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Montenegro at the crossroads to the EU

In her blog article Darija Benić, IDM’s former trainee, explains the reasons for political instability in the context of approaching presidential elections in Montenegro.

The previous year has seen many unresolved issues in Montenegro, which have deepened its ongoing political crisis, attracting a lot of attention far beyond its borders and challenging its accession to the EU. After regaining its independence in 2006, it seemed that Montenegro should not face any major obstacles to becoming the next EU Member State. But is that really the case?  

Montenegro declared independence from the State Union of Serbia and Montenegro in 2006. After applying for EU membership in 2008, the country started the accession process officially in June 2012. So far, Montenegro has started all 33 of her negotiation chapters and has tentatively finished 3 of the total number. With Russia’s brutal war of aggression in Ukraine, Montenegro has also shown that it is 100% aligned with the EU’s common foreign and security policy, including all sanctions against Russia. At the same time, however, various EU officials have realized that Montenegro’s accession appears to be stalling. What happened? 

One of the decisive moments that affected the political atmosphere and increased internal tensions was the signing of the Fundamental Agreement with the Serbian Orthodox Church in August 2022. It guarantees the Serbian Orthodox Church ownership of churches and monasteries on the territory of Montenegro, which, as the Democratic Party of Socialists stated, is violating the Constitution of Montenegro and will move the country further away from the EU. Relations with Serbia remain challenging but both sides are willing to work toward discussing open issues. Besides addressing the question of Serbian Orthodox Churches in Montenegro, some of the issues also include Montenegro’s accession to the Open Balkan regional initiative (a so-called mini Schengen zone in the Western Balkans), as well as the extradition of Svetozar Marović (the former president of Serbia and Montenegro charged on suspicion of being involved in corruption and smuggling), the ongoing economic crisis, and the attitude towards Russia’s invasion of Ukraine, where Serbia still hasn’t imposed sanctions, although it has condemned the invasion. Another issue, which is closely related to the previous, is membership in the NATO alliance. Montenegro has been a member of the alliance since 2017, but not Serbia, which claims military neutrality. One of the main reasons for this is that the expansion of NATO is fiercely opposed by Russia, from which Serbia has support in the matter of Kosovo, as well as dependence on Russian gas supplies. Kosovo is another point of differing attitudes between Montenegro and Serbia; in 2008, Kosovo declared its independence from Serbia, which Montenegro was among the first countries to recognize. 

Apart from its relations with Serbia, which had a major impact in the previous period, there are additional issues at the national level in Montenegro that are affecting its path to the EU. Polarization, a lack of productive dialogue between political parties, and a failure to forge consensus on crucial issues of national interest led to the resignation of two turbulent governments. This political unpredictability and instability has affected the proper functioning of Montenegrin institutions. Due to the Parliament’s failure to elect new members and the incomplete composition of the key judicial bodies, the Constitutional Court was unable to fulfill its role as of mid-September because there was no quorum. It has only three judges out of a total of seven, therefore it cannot make decisions on constitutional appeals, which also refer to election processes. Without the final decision of the Constitutional Court, it is not possible to constitute a new government after the election. 

Furthermore, the governments and the parliament have failed to demonstrate in practice their engagement as regards the EU-related reform agenda. In order to secure institutional and political stability, Western allies and the EU have been urging Montenegrin political leaders for months to come to an agreement on unblocking the constitutional court. If the judges are not chosen, the European Union has threatened the possibility of terminating accession negotiations with Montenegro. Given the current situation, this warning could have been anticipated and it is clear that, after 10 years of negotiations, the country has never been faced with such a blockade as it is now at the beginning of 2023. 

Hopes were high after the last election in 2020, where Đukanović and the ruling elite did not openly interfere. The collapse of Europe’s longest consecutive ruling government (the DPS had been in power since 1989) and the democratic change has raised hopes that prosperity is possible after all, but there’s a long way to go. Many believed that Montenegro had finally left behind the regime that did not reflect the reality in this multiethnic country and was only a manipulation particularly designed for the international public. 

 

The presidential elections in Montenegro 

 

The fourth presidential election, since the restoration of independence and the seventh since the introduction of the multiparty system will be held on 19 March. From either side, it is uncertain who exactly will be running for president. There isn’t even a distinct coalition in sight. The fact that there are only two months until the presidential elections and the public is unaware of a single trustworthy candidate on either side is striking. Moreover, it appears that everyone is in some way shocked that the elections are taking place right now. 

In a number of media appearances, the current Montenegrin president, Milo Đukanović, refused to say whether he would run for office again. It is also unknown whether, by the day of the election, Montenegro will have a functional constitutional court, which is necessary for the announcement of the election’s final results. The sixth round of judges‘ elections is underway, as the previous five attempts failed due to the impossibility of reaching an agreement between the ruling majority and the opposition. 

Prime Minister Dritan Abazović assessed that the selection of constitutional court judges could be completed at the beginning of February. And the president of the parliament, Danijela Đurović, said that all political actors must show maximum responsibility and contribute in order for the country to emerge from the political and institutional crisis. 

Montenegro has been given the opportunity to once again attempt to stabilize the situation, but with very short deadlines and with everything moving dynamically, we have yet to see how the political elites respond in the upcoming months. What is the way out of this current situation? The priority should be to unblock the constitutional court in order to correct the country’s constant political instability, focus on its long-standing European ambitions, and form a government that can prioritize EU reforms. 

 

Darija Benić– a student in the Master’s program in Planning and Management of Tourist and Cultural Systems at the University of Bari Aldo Moro (Italy) and a former trainee at the IDM ( July to December 2022). She holds a BA degree in Languages and Cultures for Tourism and International Mediation from the same university.

The Impact of the War in Ukraine on Central and East European Support for Democracy in 2022 

Russia’s invasion of Ukraine distracted the Central and East European (CEE) governments from a clear and consistent focus on democracy support in 2022. CEE leaders, like in other parts of Europe, focused more on increasing their own defense budget and capabilities and military aid to Ukraine, rather than boosting their democracy commitments.  

However, the invasion did not alter all aspects of their democracy policy. Quite the opposite; in the Czech Republic, for example, the election of the new president General Petr Pavel and the new government led by Prime Minister Petr Fiala have pushed the country in a direction more supportive of democracy and human rights protection than in previous years. Lithuania was the most vocal European country on the Taiwan issue, opening a trade office in Taipei in November 2022. In protest of China’s „no-limits“ friendship with Russia, Estonia and Latvia left the 16+1 initiative, a Beijing-backed forum aimed at boosting relations with East European countries. Finally, once elected, Slovenia’s first ever female president, Nataša Pirc Musar, reiterated her pledge to promote fundamental rights and democracy 

While the country priorities have not changed for many CEE countries – for example Ukraine, Belarus and Moldova remained important for Poland and the Baltic states, and the Western Balkans for Slovenia, Slovakia and Croatia – the war in Ukraine has shifted CEE focus and efforts. The most visible challenge for the democratic movement was observed in Belarus, which suffered from significantly less attention in 2022. Still, Lithuania continued to provide a safe haven for Belarusian opposition leader Sviatlana Tsikhanouskaya, and Austria provided €50,000 to a training program for Belarusian civil society. 

Thematic approaches also remained unaffected in 2022. For example, Estonia’s priority was to strengthen democracy and empower local governments in Eastern Partnership countries.Latvia funded new projects on countering disinformation in Moldova; on inclusive human rights education in Georgia, Moldova, and Ukraine; and on capacity building for judicial reform in Ukraine. Media freedom was another issue that received increasing attention, and Austria organized a conference on the safety of journalists. 

To sum up, the security aspects of the strategic landscape on the East European border were diluted but did not undermine CEE democracy commitments in 2022. Moreover, similarly to recent years, while Central and East European states generally increased their democracy funding and were better at quantifying democracy support, its prominence in CEE foreign policy priorities and the scale remains extremely modest. For example, while Poland, the biggest CEE country, allocates €7.5 million in 2022 for the Solidarity Fund PL, a state-funded entity whose activities are dedicated to democracy support, Denmark disburses €266 million to programs classified as “Government and Civil Society – General”. Finally, the illiberal political developments in Hungary and Poland keep sapping CEE’s credibility in providing democracy support and defending human rights abroad. Hungary and Bulgaria remain largely absent among Ukraine’ supporters and democracy promoters. 

These are only a few of the findings of the Annual Review of European Democracy Support in 2022, published by the European Democracy Hub, a joint initiative of Carnegie Europe and the European Partnership for Democracy that aims to inform debates about policies geared toward upholding democracy internationally.  

To learn more about Central and East European Support for Democracy and about policies, strategies, and initiatives at the level of the European Union (EU) as well as those of its Member States and of non-EU European countries active in democracy support (Norway, Switzerland and the United Kingdom), please visit here 

 

From the IDM, Research Associate Dr Kinga Brudzińska contributed to the report. 

IDM Short Insights 21: Czech Presidential Elections

The Czech Republic has elected a new president! A former general Petr Pavel won a landslide victory over former Czech prime minister Andrej Babis. In the newest Short Insight, shot in Prague, our colleague Daniel Martinek explains why this election brought many surprises and what it means to Czechia and the EU.

Goodbye Kuna and Borders

In his blog article Dino Filipovic, the IDM’s Croatian trainee, explains the positive and negative aspects of entering the Schengen Area and the Eurozone. 

The celebration on New Year’s Eve took many of us away for a moment from the fact that last year brought us war and that many new challenges await us in the next one. Few could have predicted that in the year 2022, on European soil, we would witness the insane destruction of cities and the misfortunes of many people. However, we can only hope that these tectonic changes in international relations will have as few adverse effects on our lives as possible and that the new year 2023 will be much more positive. In this direction, the war experiences of the 1990s in Croatia can be an example to the Ukrainian people that even such difficulties will eventually be overcome and that a period of reconstruction and prosperity will soon follow. 

Along with the standard drinking of New Year’s champagne, entry into the new year was especially important for the citizens of Croatia.  This was confirmed on the first day of the new year by the arrival of Ursula von der Leyen at the Bregana border crossing between Slovenia and Croatia to congratulate Croatian Prime Minister Plenković on entering the Schengen zone and switching to the euro. While pictures of Croatian officials cheerfully paying for their European colleagues’ coffee in euros spread quickly in the media, in practice these changes meant the beginning of a chaotic period. The possibility of still paying in kunas for the first two weeks, and refunding money in euros, caused great confusion on the first day. While some kept copies of the kuna as a souvenir, others rushed to shops to get a euro in return and get rid of the remaining banknotes and coins of the former currency. This created immediate congestion and problems for traders, who still showed insufficient readiness despite a long period of preparation. In addition to the above, numerous examples of Turkish lira coins were found in circulation, visually resembling one-euro coins. The elderly population is especially susceptible to this type of fraud, but given that many Croats have learned to change currencies from Yugoslavian and Croatian dinars to kuna, there is no doubt that this problem will soon become a thing of the past.  

Soaring prices 

What resonated much more strongly with the public and affected Croatian citizens was the price increase. Just a few months ago, the governor of the Croatian National Bank and government members assured us that such a scenario was impossible. However, the prime minister and the minister of economy and sustainable development appeared in front of the television cameras with confused faces and visibly surprised. Urgent talks with the directors of the retail chains followed this. The Croatian government publicly threatened to blacklist traders who used the opportunity to raise prices, and the government promptly reacted by activating the inspectorate. Through special price monitoring, the state inspectorate determined a price increase of 13 percent. Among the listed items were basic foodstuffs such as water, juice, eggs, and chicken meat. At the same time, traders try to find justifications and claim that the price increase was not due to the introduction of the euro but due to a rise in costs. In the meantime, Croatian citizens, from markets and bakeries to hair salons, face higher prices than in December last year. The transition to the euro today gives us the possibility not only to compare, for example, salaries and pensions with the rest of the EU but also to compare the prices of essential items very simply. Accordingly, numerous media outlets recently published tables where it was possible to see that many foodstuffs are much cheaper in neighboring countries such as Slovenia. All this additionally caused resentment among the citizens, and in the coming period, we will see if the price increase will continue. 

No borders or shifted borders? 

In contrast to the confusion surrounding the introduction of the euro, it was predictable that the entry into the Schengen Area would pass without major problems. However, the abolition of border controls towards Slovenia and Hungary also means increased controls towards Serbia and Bosnia and Herzegovina. Thus, on the first days of the new year, people waited for hours at the border crossings with Serbia, and the lines were kilometers long. However, the reason for this was also the Christmas holidays, and the situation returned to normal very quickly. Returning to the traineeship in Vienna after the holidays was also exciting for me personally because, for the first time, I had the opportunity to travel to the rest of the EU without stopping at the border. Although I was looking forward to the fact that this winter I would not have to get off the bus to show the border police my identity document, the Austrian police denied my expectations by stopping the bus at the border between Slovenia and Austria and made my journey no different from the previous ones. Despite this, I am looking forward to the fact that with these changes, the long line towards the Adriatic Sea in the summer period will forever be a part of history. 

What lies ahead? 

It is indisputable that Croatia achieved almost all of its foreign policy goals with the changes mentioned above, except for membership in the OECD. It is to be expected that the ruling elites will start seriously dealing with internal problems in order to catch up with the rest of the EU. The recent population census is the best indicator that young people in this country do not see prospects and are looking for their happiness in countries like Germany, Austria, or Ireland. While European officials were drinking the first New Year’s coffee in Zagreb, just a few tens of kilometers away in the earthquake-affected area, residents welcomed the new year in containers.  It is a devastating fact that the Croatian government, three years after the earthquake, has not yet renovated even a single house and that despite the available European funds, the renovation process has not even started. It remains to be hoped that the new year will bring positive developments in this segment as well. After the football euphoria has almost completely diminished, with a new currency in their pockets, Croatian citizens are looking towards a more stable situation both internally and internationally. 

 

Dino Filipovic – a student of Master’s program in Development and International Relations at Aalborg University (Denmark) and currently a trainee at the IDM. He holds a BA degree in International Relations from the Libertas International University in Zagreb, where he was also a contributing author of the student newspaper Libertas.    

Wie der Westen der Ukraine helfen kann 

Andreas Umland 

 

Wie der Westen der Ukraine helfen kann 

Drei Strategien für einen ukrainischen Sieg und Wiederaufstieg  

(Ein Projekt des Stockholmer Zentrums für Osteuropastudien des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten.) 

Zusammenfassung  

Angesichts der geopolitischen Bedeutung des russisch-ukrainischen Krieges und des noch weit entfernten Beitritts der Ukraine zur EU und NATO sollten die derzeitigen westlichen Ansätze, Strategien und Maßnahmen intensiviert, modifiziert und erneuert werden. Während einige bestehende Programme verstärkt und angepasst werden können, werden auch neue Instrumente benötigt. Sie sollten mit einer besseren Erläuterung der Beweggründe für langfristige westliche Hilfe für die Ukraine einhergehen. Bei dieser Unterstützung geht es (a) um die nationalen Interessen westlicher Staaten und nicht nur um internationale Solidarität, (b) darum, nicht nur den Krieg, sondern auch den Frieden danach zu gewinnen und (c) die Ukraine zu erneuern, anstatt sie nur wieder aufzubauen. Vorrangige Bereiche für Unterstützung sind die Verteidigungs-, Sicherheits-, Verkehrs-, Kommunikations- und Energieinfrastruktur der Ukraine. Der Neuaufbau sollte eng mit dem schrittweisen EU-Beitritt der Ukraine sowie mit weiterer Dezentralisierung verknüpft werden. Mehr direkte Kontakte zwischen ukrainischen und westlichen Kommunen, Organisationen und Unternehmen können durch vereinfachte Aufenthaltsregeln für EU-Bürger und andere Bürger aus befreundeten Staaten, eine politische Risikoversicherung für ausländische Investoren und Handelspartner der Ukraine sowie ähnliche Maßnahmen gefördert werden. Zentrale Voraussetzung für westliche Hilfe ist, dass Kyjiw seine Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung stärkt. Auch nach dem gegenwärtigen Krieg wird eine Rüstung des ukrainischen Frontstaates unumgänglich bleiben – vor dem Beitritt des Landes zur NATO und darüber hinaus.

Einführung 

Während der letzten Monate wurden zahlreiche Berichte und Kommentare veröffentlicht, die sich mit Aspekten des ukrainischen Widerstands gegen Russland sowie den Aussichten eines Wiederaufbaus und einer europäischen Integration der Ukraine befassen (siehe unten). In diesen Papieren wurden verschiedene Wege und Instrumente aufgezeigt, mit denen der Westen die Ukraine bei ihrer Verteidigung und Neugeburt unterstützen kann. Der vorliegende Bericht fasst einige dieser Vorschläge zusammen und klassifiziert die Instrumente zur Unterstützung der Ukraine, sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich, nach der Notwendigkeit, sie zu beschleunigen, anzupassen oder neu einzuführen. Solche Änderungen, Anpassungen und Neuerungen gelten in unterschiedlichem Maße für verschiedene Arten westlicher Unterstützung für die Ukraine, d. h. die für militärische und Nothilfe, makrofinanzielle, humanitäre und technische Unterstützung, Modernisierung sowie europäische Integration des Landes. Mehrere der nachstehenden Vorschläge sind auch auf Moldau und Georgien anwendbar, die sich in eingefrorenen Konflikten mit Russland befinden und in der Zukunft ein ähnliches Schicksal erleiden könnten wie die Ukraine.  

Dieser Bericht konzentriert sich auf einige zentrale Herausforderungen, die häufig bereits in früheren Veröffentlichungen erörtert wurden. Eine Reihe anderer relevanter Themen, wie z. B. Moskaus künftige Reparationen, Chinas derzeitiges Verhalten, das Lubliner Dreieck oder das Quadriga-Format sowie die besondere Rolle ausgewählter Nationalstaaten als Unterstützer der Ukraine, werden aus Platzgründen ausgelassen. Im zweiten Teil werden einige spezifische Herausforderungen bei der Umsetzung verschiedener intensivierender, modifizierender und innovativer Maßnahmen untersucht. Der Bericht schließt mit sechs politischen Empfehlungen und einem Hinweis auf die langfristige strategische Dimension weiterer Aufrüstung der Ukraine. 

Drei Unterstützungsstrategien: Intensivierung, Modifizierung, Innovation 

Strategie 1: Intensivierung  

Der einfachste Ansatz, die Ukraine schnell zu unterstützen, ist eine schnellere und gründlichere Nutzung bereits bestehender Verträge, Programme und Formate, die in ihrer derzeitigen Form geeignet sind, die Resilienz des Landes zu erhöhen. Dies bedeutet eine Beschleunigung oder Ausweitung u.a. der: 

  • Zusammenarbeit der NATO mit der Ukraine im Rahmen des Enhanced Opportunity Program (EOP), der NATO-Ukraine-Kommission (NUC), des Comprehensive Assistance Package (CAP), der Plattform zur Bekämpfung hybrider Kriegführung, der Gemeinsamen Arbeitsgruppe für technische Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich usw.  
  • Koordination der Waffenlieferungen innerhalb der so genannten Ukraine Defense Consultative Group („Rammstein-Gruppe“) zwischen 50 Ländern, die Kyjiw militärisch unterstützen, 
  • Umsetzung des Assoziierungsabkommens (AA) zwischen der EU und der Ukraine sowie der vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA), der Zusammenarbeit in der EU-Energiegemeinschaft, usw.,  
  • Einbeziehung der Budget- und Wiederaufbauhilfe für Kyjiw in die Finanzplanung der EU und ihrer Mitgliedsländer, bis die Ukraine wieder finanziell selbständig ist,  
  • Beteiligung der Ukraine am Green Deal der EU, um nicht nur Umweltziele, sondern auch nachhaltigere Energieeffizienz und tiefere europäische Integration zu erreichen, und 
  • Tätigkeit von internationalen Strukturen, an denen die Ukraine beteiligt ist, wie den Vereinten Nationen und Unterorganisationen, internationalen Finanzinstitutionen, dem Europarat, der OSZE und anderen. 

So ist beispielsweise das Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU auch ohne Änderungen ein wirksames Instrument zur Unterstützung und Integration der Ukraine. Das Assoziierungsabkommen geht über die Europa-Abkommen der ostmitteleuropäischen Staaten aus den 1990er Jahren und die 2001-2015 unterzeichneten Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit den westlichen Balkanstaaten hinaus. Während die letztgenannten Verträge von Anfang an eine EU-Beitrittsperspektive beinhalteten, enthielt das Assoziierungsabkommen der Ukraine von 2014 eine solche Zusage nicht. Erst im Juni 2022 folgte der EU-Kandidatenstatus. Dennoch sind die Assoziierungsabkommen der Ukraine, Georgien und Moldawien bereits seit 2014 umfassendere und wirksamere Europäisierungsinstrumente als die älteren Assoziierungsabkommen der EWG/EU.  

Die neuen Assoziierungsabkommen des Ostpartnerschaftsländer sind als solche in der Lage, das Assoziationstrio tief in den Europäischen Wirtschaftsraum zu integrieren und die drei Länder auf den Beitritt zur Union vorzubereiten. Die EU, ihre Mitgliedstaaten und Kyjiw sollten daher die Umsetzung des Assoziierungsabkommens sowie anderer bereits bestehender Kooperations- und Integrationsprogramme so weit wie möglich beschleunigen. Die bloße Intensivierung der bereits bestehenden Zusammenarbeit als relativ unkomplizierter Weg, der Ukraine zu helfen, wird jedoch nicht ausreichen, um den grundsätzlich neuen Herausforderungen und Bedrohungen Osteuropas gerecht zu werden. 

 

Strategie 2: Modifizierung  

Diese Strategie bedeutet eine Anpassung, Überarbeitung oder Neuformulierung bereits bestehender, aber veralteter Algorithmen, Programme oder Politiken, um sie für die Ukraine unter den radikal veränderten Bedingungen nach dem 24. Februar 2022 geeignet zu machen. Dies könnte unter anderem bedeuten eine:  

  • Ausweitung des derzeitigen westlichen Sanktionsregimes, so dass es einen größeren Kreis privater und kollektiver Systemakteure innerhalb Russlands sowie ein breiteres Spektrum nicht-russischer Unternehmen trifft, die Moskau mit kriegsrelevanten und anderen kritischen Technologien oder Dienstleistungen versorgen,  
  • Einführung eines gestaffelten EU-Beitrittsverfahrens für das Assoziationstrio, d. h. die schrittweise Einbeziehung der drei Länder in verschiedene Unterorganisationen, Leitungsorgane, Regelwerke, Branchenabkommen und Sonderprogramme der EU bevor das Trio die Vollmitgliedschaft erlangt,  
  • Ergänzung des EU-Programms der Östlichen Partnerschaft durch einen Sicherheitspakt, der dem Assoziationstrio maßgeschneiderte westliche Unterstützung für jedes der drei Länder bietet, um militärischen und hybriden Bedrohungen durch Russland zu begegnen,   
  • Institutionalisierung einer ständigen Ukraine-Arbeitsgruppe innerhalb der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), die kontinuierlich an der Bewältigung der Russland-Krise als Europas dringendstem Sicherheitsproblem arbeiten würde, und 
  • Neuauflage angepasster Versionen älterer bi- und multilateraler westlicher Programme zur Reformunterstützung und technischen Hilfe für die Ukraine in verschiedenen Bereichen wie Sicherheit, Wirtschaft, Staatsführung, Dezentralisierung, Massenmedien, Zivilgesellschaft, Bildung usw.  

Eine entschlossene Intensivierung und Modifizierung bereits bestehender westlicher Programme und Maßnahmen in Bezug auf die Ukraine kann bereits einen großen Beitrag dazu leisten, einige aktuelle Bedürfnisse Kyjiws zu befriedigen. Die außergewöhnlichen neuen Umstände in der Ukraine und ihre Folgen für das gesamte europäische Projekt sowie die institutionelle und doktrinäre Trägheit der bestehenden Programme bedeuten jedoch, dass ihre Beschleunigung und Anpassung nicht ausreichen werden. Gänzlich neue Instrumente sind unumgänglich, um einen schnellen qualitativen Wandel in Kyjiws Fähigkeit zu bewirken, sowohl den gegenwärtigen Krieg als auch den anschließenden Frieden zu gewinnen.  

 

Strategie 3: Innovation  

Im Rahmen dieses Ansatzes werden neue internationale Kooperations- und Integrationsformate geschaffen, um den besonderen Herausforderungen des Kampfes der UkrainerInnen gegen den russischen Angriffskrieg sowie im Rahmen des Wiederaufbaus ihres Landes zu begegnen. Unter anderem sind die folgenden neuen Ansätze in der Fachwelt und verschiedenen internationalen Formaten bereits diskutiert worden:  

  • Ein kollektives multilaterales Wiederaufbauprogramm für die Ukraine, das an das European Recovery Program der USA nach dem Krieg („Marshall-Plan“) erinnert und an dem sich neben der EU und anderen Ländern eine Reihe einschlägiger Hilfsorganisationen beteiligen sollten, darunter der IWF, die Weltbank, nationale Entwicklungsagenturen, private Stiftungen usw., 
  • Eine gemeinsame Wiederaufbauplattform bzw. ein Koordinierungszentrum – wie zuerst in einem CEPR-Brief vorgeschlagen und später in einem GMFUS-Bericht erörtert -, das unter der Schirmherrschaft der G7 und Kyjiws als Abstimmungs-, Prüfungs- und Clearing-Mechanismus für multilaterale, nationale und nichtstaatliche Akteure fungiert, die bereit sind, ihre Unterstützung für die Ukraine unter einem gemeinsamen Dach zu harmonisieren,  
  • Eine neue Art kollektiver westlicher Sicherheitsgarantie einer Koalition der Willigen für die Ukraine, die deutlich über die unwirksamen Zusicherungen hinausgeht, die der Ukraine bisher im Rahmen der Vereinten Nationen, des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrags (NVV), der OSZE usw. gegeben wurden,
  • Eine politische Risikoversicherung gegen kriegsbedingte Schäden für ausländische Direktinvestitionen in der Ukraine und den internationalen Handel mit ihr, entweder über die MIGA der Weltbank  oder aber die EBRD, EIB, OECD beziehungsweise im Rahmen einer anderen bestehenden oder Ad-hoc-Institution, 
  • Eine EU-Panzer-Initiative zur gemeinsamen Lieferung von Leopard 2-Panzern aus verschiedenen europäischen Ländern an die Ukraine sowie die Sicherstellung ihrer Reparatur und Wartung, wie in einem gesonderten Bericht des Berliner ECFR-Büros zu diesem Thema dargelegt.

Dies ist eine unvollständige Liste möglicher Innovationen, die aufzeigt, in welche Richtung weitere Initiativen gehen könnten. Der Start jedes dieser und ähnlicher unorthodoxer Projekte wird – noch mehr als im Falle der Intensivierung oder Änderung älterer Programme – erheblichen politischen Willen und Geschick erfordern, um sie zu verwirklichen.  

Fragen der Umsetzung und Prioritätensetzung 

Sicherung einer nachhaltigen öffentlichen und privaten Finanzierung 

Zwei der kompliziertesten Aufgaben der ukrainischen Zusammenarbeit mit ausländischen Regierungen in den nächsten Jahren werden sein die:  

(a) Sicherstellung einer ausreichenden öffentlichen Unterstützung des Westens für die Aufrechterhaltung und Ausweitung der umfangreichen militärischen, humanitären und Entwicklungshilfe für die Ukraine sowie 

(b) Einbeziehung möglichst vieler Privatunternehmen und anderer Nichtregierungsorganisationen in die Wiederaufbau der Ukraine trotz der hohen Sicherheitsrisiken.  

Um der ersten Herausforderung zu begegnen, sollte die öffentliche Kommunikation sowohl der ukrainischen als auch westlichen Regierungen über den Krieg die Ziele und den Nutzen der Hilfe für Kyjiw klarer darlegen. Die derzeit vorherrschenden „idealistischen“ Argumente hinsichtlich europäischer oder/und allgemeiner menschlicher Solidarität, Empathie und Werte (einschließlich Selbstbestimmung, Freiheit, Demokratie usw.) sind weiterhin gültig und erwähnenswert. Sie müssen jedoch durch „realistische“ Argumente über verschiedene nicht-ukrainische individuelle, nationale und transnationale Interessen ergänzt werden, denen durch die anhaltende westliche Unterstützung für Kyjiw entsprochen wird. Dazu gehören positive Auswirkungen der Hilfe für die Ukraine auf das weltweite Vertrauen in Völkerrecht. Es gibt damit im Zusammenhang vielerlei Argumente in puncto nationaler und internationaler Sicherheit, die dafür sprechen, es Russland nicht zu erlauben, die politische und wirtschaftliche Weltordnung zu unterwandern. 

Ein besonders wichtiger Effekt der westlichen Hilfe für Kyjiw ist ihre stabilisierende Wirkung auf das Regime zur Verhinderung von Massenvernichtungswaffen. Seit 2014 rüttelt Moskau unentwegt an der Logik und Wirksamkeit des Atomwaffensperrvertrags (NVV). Seit bald neun Jahren greift Russland als offizieller Atomwaffenstaat einen offiziellen NVV-Nichtkernwaffenstaat an und terrorisiert seine Zivilbevölkerung. Zudem besaß das Opferland einst ein großes Atomwaffenarsenal, welches Kyjiw im Gegenzug für Sicherheitszusagen der fünf offiziellen NVV-Atommächte 1994 aufgab. Diese und andere hohe Opportunitätskosten sowie die verschiedenen schwerwiegenden Alternativen, die sich ergeben, falls die Ukraine keinen Erfolg hat, sollten häufiger und ausführlicher dargelegt werden.  

Um die zweite große Herausforderung zu bewältigen, müssen die Regierungen der Ukraine und des Westens ein Bündel an Mechanismen entwickeln, welche ausländische Investitionen und Handelstätigkeit vor verschiedenen Auswirkungen und Unwägbarkeiten des Krieges schützen. Dies bedeutet unter anderem die ständige Versorgung der Ukraine mit Verteidigungswaffen und vor allem Flugabwehrgeräten, kontinuierliche Unterstützung der Stärkung der ukrainischen Sicherheitsbehörden sowie Einrichtung einer politischen Risikoversicherung gegen für Investoren und Handelspartner der Ukraine. Darüber hinaus können andere Maßnahmen dazu beitragen, ausländische kommerzielle und Nichtregierungsorganisationen für ein stärkeres Engagement in der Ukraine zu gewinnen.  

Die physische und rechtliche Infrastruktur für den Zugang befreundeter ausländischer Einzelpersonen und Strukturen zur Ukraine muss verbessert werden. So ist die Transportinfrastruktur zwischen der Ukraine und EU zu renovieren und zu standardisieren, um – in Ermangelung von Luftverkehr – eine schnellere und einfachere Beförderung von Menschen und Waren von West nach Ost und umgekehrt zu gewährleisten. Die neue Initiative „EU-Ukraine Solidarity Lanes“ kann, neben anderen Instrumenten, Lösungen für solche Herausforderungen für den grenzüberschreitenden Handel bieten. Eine ähnlich grundlegende Rolle spielt der WWW-Zugang und die Internetabdeckung im ganzen Land. Investoren und anderen ausländische Organisationen muss entweder eine stabile Versorgung mit Kommunikation, Strom, Wasser und Heizung zur Verfügung gestellt oder die Möglichkeit gegeben werden, diese selbst sicherzustellen.  

 

Kyjiws Beitrag zur Zusammenarbeit 

Das rechtliche und Geschäftsumfeld für Ausländer, die bereit sind, in die Ukraine zu investieren oder umzuziehen, muss geändert werden. Die Ukraine muss OECD-Standards besser erfüllen und unter anderem im Geschäftstätigkeitsindex aufsteigen.5 Rechtsstaatlichkeit und staatliche Dienstleistungen der Ukraine sind nach wie vor mangelhaft und korruptionsanfällig; Vorschläge zur Lösung dieses Problems sind zahlreich. Ein weniger bekanntes Hindernis für ausländische Geschäftstätigkeiten in der Ukraine sind informelle regionale oder branchenspezifische Monopole oder Oligopole, die ihre Märkte mit verschiedenen Mitteln vor ausländischer Konkurrenz schützen.  

Die Einführung eines Schutzmechanismus durch die EU für ukrainische Flüchtlinge, die seit März 2022 in die Union einwandern, sollte mit einem ukrainischen Gesetz zur Liberalisierung der Niederlassung von Ausländern in der Ukraine beantwortet werden. Vereinfachte Vorschriften sollten es Bürgern aus der EU und anderen befreundeten Ländern ermöglichen, unkompliziert eine langfristige Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, die es ihnen erlaubt in der Ukraine zu arbeiten, Handel zu treiben, Immobilien zu kaufen und zu studieren. Die große ukrainische Diaspora im Ausland fordert seit drei Jahrzehnten ein ukrainisches Gesetz, das eine doppelte Staatsbürgerschaft ermöglicht. 

Solche ukrainischen Maßnahmen parallel zu verschiedenen westlichen Maßnahmen zur Intensivierung, Modifizierung und Innovation zur Hilfe für Kyjiw durchgeführt werden. Eine synergetische Strategie könnte etwa die beschleunigte Umsetzung des Assoziierungsabkommens durch die Ukraine, ein gestuftes EU-Beitrittsverfahren für die allmähliche Integration des Assoziationstrios, eine neue Plattform zur Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine, eine bessere Korruptionsbekämpfung, neuartige Versicherungsmechanismen zum Schutz von Investoren sowie eine Liberalisierung der Niederlassungsvorschriften für ausländische Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen miteinander verbinden. Die EU und andere pro-ukrainische Akteure können in Zusammenarbeit mit Kyjiw und den lokalen Gemeinden der Ukraine eine Mischung aus alten, angepassten und neu geschaffenen ausländischen und ukrainischen Instrumenten einsetzen, um sicherzustellen, dass der ukrainische Widerstand zur vollständigen Wiederherstellung der territorialen Integrität des Landes und Wiederaufbau zu einer umfassenden Neugeburt des postsowjetischen Staates führt. An diesen und anderen vom Ausland unterstützten Initiativen sollten in allen Phasen so viele VertreterInnen der ukrainischen Regierung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wie möglich beteiligt sein. 

 

Verknüpfung von Geberkoordinierung, EU-Integration und Dezentralisierung 

Im Zusammenhang mit letzterem sollte so bald wie möglich eine – vielleicht noch nicht vollständig definierte – ressortübergreifende Geberkoordinierungsplattform eingerichtet werden, die den jüngsten Empfehlungen der G7 in diese Richtung folgt. Verschiedene Pläne für den Wiederaufbau und dessen Unterstützung aus dem Ausland wurden bereits in diversen Veröffentlichungen (siehe unten) sowie auf der Ukraine Recovery Conference am 4. und 5. Juli 2022 und der Internationalen Expertenkonferenz zur Erholung, zum Wiederaufbau und zur Modernisierung der Ukraine am 25. Oktober 2022 in Berlin und werden auf der bevorstehenden Ukraine Recovery Conference am 21. und 22. Juni 2023 in London weiterentwickelt. Die Koordinierungsplattform kann verschiedene bereits bestehende bi- oder multilaterale Hilfsinitiativen der Ukraine und des Westens einbeziehen, auf dem derzeitigen Konsultationsmechanismus der G7 in Kyjiw aufbauen und sofort mit der Förderung ausländischer Hilfs- und Wiederaufbauhilfe für die Ukraine beginnen.  

Ein solches Geberkoordinationszentrum sollte angesichts des von Kyjiw geäußerten Wunsches, der EU (und NATO) beizutreten, ein ständiges Büro in Brüssel haben. Die Wiederaufbauplattform sollte den Fluss der zivilen Finanzhilfe so weit wie möglich mit dem Ziel der europäischen Integration der Ukraine in Einklang bringen. In engem Kontakt mit der ukrainischen Regierung kann das Kyjiwer Büro der Plattform den Zustrom von Hilfe fördern und lenken, soweit andere potenzielle Geberländer und -organisationen – ob öffentlich oder privat – bereit sind, solche Unterstützung anzunehmen.  

Weder Kyjiw noch die G7 oder Brüssel werden in der Lage sein, alle staatlichen und nichtstaatlichen Unterstützungsinitiativen vollständig zu kontrollieren. Sie können jedoch versuchen, dafür zu sorgen, dass alle relevanten Akteure so weit wie möglich über die Programme und Erfahrungen der anderen informiert sind. Das Koordinierungszentrum sollte möglichst viele solcher Aktivitäten zusammenführen und bekannt machen. Die Ziele und Vorteile einer Harmonisierung, Beobachtung und Dokumentation durch ein Koordinierungszentrum sind vielfältig. Sie umfassen:  

  • Erleichterung der direkten Interaktion zwischen ausländischen und ukrainischen Akteuren,  
  • Korruptionsprävention mittels interorganisatorischer Kommunikation,  
  • Vermeidung von Programmüberschneidungen,  
  • Verknüpfung humanitärer Hilfsmaßnahmen mit sozioökonomischen Entwicklungsprogrammen,
  • Förderung öffentlich-privater Partnerschaften  
  • Maximierung von Synergien zwischen Initiativen aus verschiedenen Quellen vor Ort oder auch 
  • Einbeziehung von Geberaktivitäten in die Umsetzung der Assoziierungsabkommen sowie in den EU-Beitrittsprozess. 

Eine besonders wichtige Vermittlungsaufgabe für ein solches Koordinierungszentrum wäre es, die Ambitionen öffentlicher und privater ausländischer Geber mit den eigenen Wiederaufbauplänen der Ukraine in Einklang zu bringen. Die Suche nach geeigneten Schnittstellen zwischen den Aktivitäten öffentlicher Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen und des Privatsektors wird eine entscheidende Aufgabe sein. 

Ein Teilmodell für eine solche unterstützende Rolle eines Koordinierungszentrums ist das sogenannte „Haus der Dezentralisierung“ in Kyjiw, das im Rahmen des von der EU finanzierten und von der deutschen GIZ und der schwedischen SIDA verwalteten U-LEAD-Programms (Ukraine – Local Empowerment, Accountability and Development) für den Zeitraum 2016-2021 eingerichtet wurde. Während das U-LEAD-Büro hauptsächlich seine eigenen regionalen Projekte im ganzen Land leitete, war das Haus der Dezentralisierung auch Gastgeber für andere Geberorganisationen in diesem Bereich und stand in engem Kontakt mit dem ukrainischen Ministerium für Gemeinden und Gebietsentwicklung. Es fungierte als Knotenpunkt für viele ausländische Aktivitäten zur Unterstützung ukrainischer Kommunalreformen.  

Eine Geberkoordinierungsplattform könnte – in größerem Maßstab – ebenfalls eine solche ökumenische Rolle spielen. Sie könnte interessierte öffentliche und private Initiativen unterstützen und miteinander vernetzen, indem sie kostenlose Büroräume in einem gemeinsamen Gebäude, Zugang zur ukrainischen Regierung, regelmäßige Konsultationen zwischen den Organisationen, spezielle Schulungen für die Mitarbeiter der Geber sowie umfassende Konferenzen, organisationsübergreifende Newsletter, gemeinsame Webressourcen usw. anbietet. Im Idealfall würde sie damit alle interessierten Hilfsinstitutionen und -gruppen einbinden. 

Diese und andere westliche Initiativen sollten generell auf den positiven Erfahrungen der ukrainischen Dezentralisierungsreform seit 2014 und den beeindruckenden Ergebnissen der ukrainischen Übertragung von Ressourcen, Befugnissen und Verantwortung auf die kommunale Ebene aufbauen. Anstatt durch die zentralisierte Verteilung von Finanzmitteln den Zugriff Kyjiws auf die Regionen zu fördern, sollte die westliche Hilfe für die Ukraine weitere Dezentralisierung von Entscheidungsfindung und -umsetzung im ganzen Land fördern. Ausländische materielle und immaterielle Mittel können dazu beitragen, die Dekonzentration von Macht, die institutionelle Autonomie lokaler Akteure sowie direkte Verbindungen ukrainischer Organisationen mit Partnern im Ausland zu fördern. Dies könnte nicht nur Einrichtungen der kommunalen Selbstverwaltung betreffen, sondern auch lokale Bildungs-, Kultur-, Forschungs-, medizinische, zivilgesellschaftliche, kommerzielle, künstlerische und andere Organisationen, die an internationaler Zusammenarbeit interessiert sind.  

Warum „Besser wiederaufbauen“ tatsächlich besser ist 

Bislang ist die Hilfe des Westens für die Ukraine in ihrer strategischen Formulierung, materiellen Substanz und öffentlichen Wahrnehmung eine Rettungsaktion. Die Wiederaufbauplanung ist jedoch von Anfang an auch als zukunftsweisendes Programm – als „building back better“ – konzipiert worden, sowohl von ukrainischen als auch von westlichen ExpertInnen. Sie sollte noch deutlicher als bisher als eine Agenda nicht nur der Hilfe, sondern auch Erneuerung verstanden und dargestellt werden, d.h. als ein Prozess, aus dem eine modernere und erfolgreichere Ukraine hervorgehen wird.  

Der westlichen Unterstützung für Kyjiw einen solchen „positiven Dreh“ zu geben, hat für UkrainerInnen und Ausländer, die an militärischer und ziviler Ukrainehilfe beteiligt sind, eine wichtige psychologische Bedeutung. Die westliche Hilfe für den Wiederaufbau und die europäische Integration der Ukraine sollte so strukturiert werden, dass eine kontinuierliche Abfolge rasch abschließbarer „Babyschritte“ entsteht. Das Erreichen jeder Zwischenstufe, z. B. der Beitritt zu einer EU-Institution oder -Initiative, die Fertigstellung eines materiellen oder virtuellen Projekts, der Start einer neuen Dienstleistung oder eines neu aufgelegten Programms usw. sollte öffentlich gewürdigt und gelegentlich gefeiert werden, um UkrainerInnen und ihren westlichen UnterstützerInnen ein Gefühl stabilen Fortschritts zu vermitteln. Unvermeidliche Rückschläge müssen von Kommunikationsstrategien begleitet werden, die sowohl eine Kontextualisierung als auch weiteren Fortschritt ermöglichen und von allen Beteiligten so gehandhabt werden, dass das Vertrauen in den Prozess gestärkt und nicht untergraben wird. 

Sowohl aus psychologischen als auch aus praktischen Gründen sollte westlich-ukrainischer Austausch künftig stärker als bisher in beide Richtungen fließen. Westliche Regierungen und nichtstaatliche Akteure sollten, auch im eigenen Interesse, die besonderen neuen Erfahrungen und das Wissen, das ukrainische Einzelpersonen und Institutionen vor und während des aktuellen Krieges gesammelt haben, aktiver und öffentlicher nutzen. Dies betrifft vor allem, aber nicht nur die Durchführung und Abwehr von militärischen und hybriden Operationen im Rahmen eines bewaffneten Konflikts mit einem hochgradig aggressiven Gegner. Auch im zivilen Bereich kann die Ukraine wertvolle Erkenntnisse aus der erfolgreichen Digitalisierung, Liberalisierung und Dezentralisierung ihrer Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft übernehmen. Wenn ukrainische Hilfe für ausländische Regierungen, einschließlich der moldauischen und georgischen, sowie andere Akteure ermöglicht und sichtbar gemacht wird, wird dies sowohl den ukrainischen Stolz auf die Errungenschaften des kämpfenden Volkes als auch die westliche Sympathie dafür erhöhen.    

Eine Neu- und nicht nur Wiedergeburt der Ukraine wird einen größeren sicherheitspolitischen Nachhall über Osteuropa hinaus haben. Ein erfolgreicher Neuaufbau des Landes kann potenziell expansionistischen Akteuren in der ganzen Welt zeigen, dass militärische Aggressionen nicht nur ihre Ziele verfehlen werden. Internationale Reaktionen auf Angriffe gegen verwundbare Staaten können sogar bestimmte positive Nachwirkungen für die angegriffenen Nationen haben. Eine paradoxe Folge einer Aggression sollte sein, dass die geopolitische Position des Opfers im Weiteren eher gestärkt als geschwächt wird. Auch die innere Lage des angegriffenen Landes kann sich durch resolute Reaktion internationaler Partner des Opferstaates auf einen militärischen Angriff teilweise verbessern und nicht nur verschlechtern.  

Ein solches Signal wird nicht nur für die UkrainerInnen von Vorteil sein. Es dürfte auch zu einer Festigung der internationalen Ordnung, Beruhigung kleinerer Länder und Stärkung des Systems der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen führen. Das Schicksal der Ukraine sollte sowohl künftigen möglichen Aggressoren als auch ihren potenziellen Opfern drei einfache Lektionen erteilen: (a) Es gibt keine Macht des Stärkeren. (b) Regeln werden aufrechterhalten. (c) Die mächtigeren Staaten schützen die schwächeren. Dadurch können das Völkerrecht und internationale Organisationen gestärkt werden. Ein daraus resultierender Zuwachs an weltweiter Sicherheit und zwischenstaatlichem Vertrauen liegt im Interesse aller Menschen.  

Zusammenfassende Empfehlungen 

Die folgenden Empfehlungen fassen sechs Schlussfolgerungen aus obiger Besprechung zusammen: 

  1. Die militärische und zivile Hilfe für die Ukraine muss stärker nicht nur als internationaler Solidarität, sondern auch im nationalen Interesse der unterstützenden Länder dargestellt werden. Sprecher nationaler sowie subnationaler Regierungen und internationaler Organisationen sollten darlegen, warum und wie ihre Unterstützung nicht nur die Ukraine, sondern Europa und die ganze Welt sicherer macht. Ausländische Hilfe sollte damit begründet werden, dass sie Kyjiw nicht nur in die Lage versetzt, den gegenwärtigen Krieg zu gewinnen, sondern auch den anschließenden Frieden zu sichern, und dazu dient, die Ukraine nicht nur wiederaufzubauen, sondern zu erneuern.
  2. Westliche militärische und nichtmilitärische Unterstützungsprogramme sollten in Übereinstimmung mit aktuellen und künftigen Bedürfnissen der Ukraine entweder intensiviert, modifiziert oder neu geschaffen werden. Diese älteren, angepassten oder neuen Programme sollten eher nachfrage- als geberorientiert sein. Sie sollten Kyjiw dabei helfen, in erster Linie jene Aufgaben zu erfüllen, die von der ukrainischen Regierung wie auch den lokalen Selbstverwaltungsorganen als besonders dringend formuliert wurden. 
  3. Nicht nur in Ost- sondern auch Westeuropa und anderen Regionen der Welt sind heute viele Einzelpersonen, Gruppen und Institutionen bereit, der Ukraine auf die eine oder andere Weise zu helfen. Um diese Hilfe zu ermöglichen, hat das Funktionieren der ukrainischen Verteidigungs-, Sicherheits-, Transport-, Kommunikations- und Energieinfrastruktur zusammen mit der Korruptionsbekämpfung Priorität. Die Erleichterung einer schnellen und unkomplizierten inländischen und grenzüberschreitenden Interaktion von UkrainerInnen untereinander und mit ihren Verbündeten ist eine zentrale Aufgabe.
  4. Umfassende Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen sollten bereits jetzt – h. bereits vor und unabhängig von dem Kriegsende – beginnen und zu einer weiteren Stärkung der Widerstandsfähigkeit und einem modernisierenden Neuaufbau der Ukraine führen. Er sollte die bessere Nutzung bereits bestehender Formate (Intensivierung), die Anpassung veralteter Projekte (Modifizierung) und die Einführung neuer Programme (Innovation) kombinieren.
  5. Humanitäre Hilfe und Unterstützung für den Wiederaufbau der Ukraine sollten miteinander und mit der europäischen Integration des Landes verknüpft werden, und zwar mit Hilfe einer Plattform zur multilateralen Koordinierung der Geber und solcher EU-Instrumente wie einem Sicherheitspakt und gestaffelten Beitrittsprozess, der zu einer zunehmenden Beteiligung der Kandidatenländer, einschließlich der Ukraine, an innergemeinschaftlichen Angelegenheiten der Union noch vor der EU-Vollmitgliedschaft führt.
  6. Die eigene Politik Kyjiws und sowie deren westliche Unterstützung sollte ein dezentralisiertes Engagement von UkrainerInnen mit ausländischen Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie verschiedenen Investitions-, Kooperations- und Handelspartnern fördern. Dies kann durch die Erleichterung direkter Kontakte zwischen lokalen Kommunen und Institutionen, die Versicherung von Direktinvestitionen in der Ukraine gegen politische Risiken, die Liberalisierung von Aufenthaltsbestimmungen für Ausländer aus befreundeten Ländern und ähnliche Maßnahmen geschehen.

Ein abschließender Hinweis zu langfristigen Perspektiven: Die prekäre Lage des ukrainischen Staatsgebiets in einer geopolitischen Grauzone wird sich so schnell nicht ändern. Solange die Ukraine kein vollwertiges Mitglied der NATO und EU ist, wird das Land daher selbst für seine nationale Sicherheit sorgen müssen. Russland kann seine Aggression jetzt fortsetzen oder später wieder aufnehmen. Eine umfassende und moderne Aufrüstung der Ukraine hat daher nicht nur eine kurzfristige und taktische Dimension. Sie ist nicht nur notwendig für einen erfolgreichen Abschluss der aktuellen Gegenoffensive, die Rückeroberung der besetzten Gebiete und den Abschluss eines für Kyjiw akzeptablen Waffenstillstandsabkommens mit Moskau.  

Eine gute Bewaffnung der Ukraine hat auch eine ausgeprägt geostrategische und langfristige Dimension. Das Land muss nicht nur so lange gut gerüstet sein, wie die derzeitigen Kämpfe andauern, sondern auch für das Interregnum zwischen dem Ende des russischen Angriffs und dem Beitritt der Ukraine zur EU sowie NATO. Schwere Waffen, funktionierende Sicherheitsorgane und internationale Garantien werden nicht nur benötigt, um den gegenwärtigen Krieg zu beenden, sondern auch, um einen weiteren Angriff zu verhindern. Selbst nach dem Beitritt zur NATO und EU wird die Ukraine so lange ein Frontstaat bleiben, wie Russland weiterhin revanchistische Ambitionen hegt. Über Jahre oder gar Jahrzehnte wird eine gut bewaffnete, international eingebettete und sozioökonomisch lebensfähige Ukraine nötig sein, um die Ostgrenze Europas zu sichern. 

Literaturempfehlungen  

Jaroslava Barbieri, Supporting Ukraine’s Victory, Success and European Integration as a Safeguard to Europe’s Future Security, Prosperity and Resilience. SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 19 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 19. Dezember 2022). 

Torbjörn Becker, Barry Eichengreen, Yuriy Gorodnichenko, Sergei Guriev, Simon Johnson, Tymofiy Mylovanov, Kenneth Rogoff, und Beatrice Weder di Mauro, A Blueprint for the Reconstruction of Ukraine. Rapid Response Economics 1 (London: Center for Economic Policy Research Press, 7. April 2022). 

Torbjörn Becker, Barry Eichengreen, Yuriy Gorodnichenko, Sergei Guriev, Simon Johnson, Tymofiy Mylovanov, Kenneth Rogoff, und Beatrice Weder di Mauro, Macroeconomic Policies for Wartime Ukraine. Rapid Response Economics 2 (London: Center for Economic Policy Research Press, 12. August 2022). 

Lilly Blumenthal, Caleb Seamon, Norman Eisen, und Robin J. Lewis, History Reveals How to Get Ukraine Reconstruction Right: Anti-Corruption (Washington, DC: Brookings Institution, 20. Oktober 2022). 

Piotr Bura und Kai-Olaf Lang, Partnership for Enlargement: A New Way to Integrate Ukraine and the Eastern Neighborhood. ECFR Policy Brief (Berlin: European Council on Foreign Relations, 17. Juni 2022). 

Piotr Buras, Marie Dumoulin, Gustav Gressel und Jeremy Shapiro, Survive and Thrive: A European Plan to Support Ukraine in the Long War against Russia. ECFR Policy Brief (Berlin: European Council on Foreign Relations, 9. September 2022). 

Yevhen Bystrytskyi, Hrsg., Ukraine After the Victory: Imagining Ukraine in 2030 (Kyiv & Lviv: Center for Economic Strategy, 27. Juni 2022). 

Heather A. Conley, A Modern Marshall Plan for Ukraine (Washington, DC: German Marshall Fund, 3. Oktober 2022). 

Michael Emerson, M. Lazarevic, Steven Blockmans und S. Subotic, A Template for Staged Accession to the EU (Brüssel und Belgrad: CEPS und CPE, Oktober 2021). 

Michael Emerson und Steven Blockmans, Next Steps for EU Enlargement – Forward or Backwards? SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 12 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 23. November 2022). 

Nick Fenton, Corruption and Private Sector Investment in Ukraine’s Reconstruction. CSIS Brief (Washington, DC: Center for Strategic and International Studies, 8. November 2022). 

G7 Statement on Support for Ukraine (Elmau: G7, 27. Juni 2022). 

G7 Leaders’ Statement: 12 December 2022 (London: Prime Minister’s Office, 12. Dezember 2021). 

Ronja Ganster, Jacob Kirkegaard, Thomas Kleine-Brockhoff, und Bruce Stokes, Designing Ukraine’s Recovery in the Spirit of the Marshall Plan (Washington, DC: German Marshall Fund, September 2022). 

Yuriy Gorodnichenko, Ilona Sologoub, und Beatrice Weder di Maur, Hrsg., Rebuilding Ukraine: Principles and Policies (London: Center for Economic Policy Research Press, 7. Dezember 2022). 

Gustav Gressel, In Europe’s Defence: Why the EU Needs a Security Compact with Ukraine (Berlin: European Council on Foreign Relations, 30. September 2022). 

Gustav Gressel, Rafael Loss und Jana Puglierin, The Leopard Plan: How European Tanks Can Help Ukraine Take Back Its Territory (Berlin: European Council on Foreign Relations, 9. September 2022). 

Stephen J. Hadley, William Taylor, John E. Herbst, Matthew Kroenig, Melinda Haring, und Jeffrey Cimmino, Preparing for Victory: A Long-Haul Strategy to Help Ukraine Win the War against Russia – and Secure the Peace. Atlantic Council Strategy Paper Series (Washiongton, DC: Atlantic Council, 30. November 2022). 

ICUV, Ukraine’s Post-Victory Reconstruction: Key Principles and Anti-Corruption Safeguards (Kyjiw: International Centre for Ukrainian Victory, September 2022). 

Gerald Knaus, Ukraine, Europe and a Second Treaty of Rome. ESI-Newsletter Nr. 5 (Berlin: European Stability Initiative, 16. Juni 2022). 

Wojciech Kononczuk, No Stable EU Without a New Eastern Enlargement. SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 8 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 1o. November 2022). 

Kyiv School of Economics, Assessment of Damages (Kyiv: KSE, 13. Juni 2022). 

Orysia Lutsevych, Making Resilience a Keystone of European Enlargement. SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 15 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 9. Dezember 2022). 

Vladimir Milov, Why Sanctions on Russia Are Working (Stockholm: Jarl Hjalmarson Foundation, Dezember 2022). 

Anna Nagurney, Operations Research for the Recovery and Reconstruction of Ukraine, ORMS Today, 21. September 2022. 

National Recovery Council, Ukraine Recovery Plan (Kyjiw: Ministerium für digitale Transformation der Ukraine, Juli 2022). 

Anders Olofsgård, Foreign Aid to Ukraine: Lessons from the Literature on Strategic Foreign Aid. Foreign Policy Briefs (Stockholm: Free Network, September 2022). 

Outcome Document Ukraine Recovery Conference URC2022: „Lugano Declaration“ (Lugano: URC, 4.-5. Juli 2022). 

Patrick Quirk und Prakhar Sharma, Advancing a Framework for the Stabilization and Reconstruction of Ukraine. Issue Brief (Washington, DC: Atlantic Council, 23. Oktober 2022). 

Fogh Rasmussen und Andrii Yermak, The Kyiv Security Compact – International Security Guarantees for Ukraine: Recommendations (Kyjiw: Rasmussen Global, 13. September 2022). 

Maria Repko, Financing Ukraine’s Victory and Recovery: For the War and Beyond. SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 10 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 17. November 2022). 

RISE, The Institutional Architecture of Ukraine’s Recovery. RISE Discussion Paper (Kyjiw: RISE Ukraine Coalition, 5. Dezember 2022). 

Valentyna Romanova, How to Promote Engagement by European and Ukrainian Local and Regional Authorities in Ukraine’s Post-war Reconstruction. SCEEUS Guest Platform for Eastern Europe Policy No. 14 (Stockholm: Stockholm Centre for Eastern European Studies, 7. Dezember 2022).

David Wessel und Elijah Asdourian, What Lessons Do Past International Efforts at Rebuilding War-torn Countries Hold for Organizing the Reconstruction of Ukraine? (Washington, DC: Brookings Institution, 19. Dezember 2022). 

Kataryna Wolczuk und Laure Delcour, Ukraine’s Candidate Status and Prospects and Modalities of Integration in the EU (Berlin: Zentrum Liberale Moderne, 14. September 2022, unveröffentlichtes Manuskript, im Druck). 

Danksagung  

Ich bin dankbar für Interviews zur Vorbereitung dieses Berichts im Oktober und Dezember 2022 in Kyjiw mit: Oleksandr Sushko (International Renaissance Foundation), Serhiy Kvit (Kyiv-Mohyla Academy), Ludmyla Nemyria (UkrLife TV), Marc Raphael (UNDP Poltava), Yevhen Bystrytskiy (First of December Club) sowie Viacheslav Likhachev (Center for Civil Liberties). Der Bericht profitierte von der Diskussion mit Maria Perrotta Berlin (SITE), Torbjörn Becker (SITE), Tymofiy Mylovanov (KSE) und Nataliia Shapoval (KSE) auf dem Panel „A strategy to help Ukraine win the war and become a successful member of the EU“, das von der Initiative Friends of the Kyiv School of Economics (KSE) zusammen mit dem Stockholm Institute of Transition Economics (SITE) an der Stockholm School of Economics am 7. November 2022 organisiert wurde. Aura Sabadus (ICIS), Borys Tarasiuk (IEAC) und Daniel Szeligowski (PISM) machten freundlicherweise einige nützliche Vorschläge zum ersten Plan für den Bericht. Schließlich bin ich den KollegInnen am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien (SCEEUS) dankbar, die eine frühere Fassung dieses Berichts ausführlich kommentiert haben. Für mögliche Ungenauigkeiten und Fehlinterpretationen bin ich jedoch allein verantwortlich.  

 

Der Autor 

Dr. Andreas Umland ist Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien (SCEEUS) des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (UI).

In the Eye of the Storm: Political Turmoil in Slovakia

On 15 December 2022, the Slovak parliament voted on a motion of no confidence for the government led by Eduard Heger of the Ordinary People and Independent Personalities (OĽaNO). Even though there is no clear answer yet what exactly will happen next, it is very likely that the next parliamentary elections, scheduled originally for February-March 2024, will happen one year earlier. Whether the voters cast their ballot earlier or as originally planned, Slovakia awaits a period of political instability as the political parties will strive to quickly end it. Despite turbulence on national scene, is very likely that Bratislava will continue its European and pro-Atlantic orientation. Finally, Slovakia, next to Estonia, Poland, Ukraine and Belarus will be the fifth country in Central and Eastern Europe to hold parliamentary election in 2023.  

Background  

The fall of the government in Slovakia has been in the making for some time already. Struggling with multiple crises and persistent domestic political instability connected to the consequences of the Covid-19 pandemic and the war in Ukraine, the outgoing government had a hard time fulfilling its electoral promises to settle accounts after the long-standing rule of the left and to clean up state institutions. One can say that the conflicts within the coalition (especially between head of OL’aNO and the Freedom and Solidarity Party, SaS) characterised the entire period of government. The tensions reached their peak after the decision of then Prime Minister Igor Matovič (OĽaNO) to purchase Russian Sputnik V coronavirus vaccines. The political reshuffle in March 2021, when PM Matovič was consequently forced to step down as the prime minister (to become the minister of finance), did not help to save the government in the long term. The loss of majority and the formation of a minority government in September 2022 (after the ministers from the SaS party left the government after Matovič’s refusal to leave the government) was the beginning of the end of the OL’aNO-led government. 

The motion of no-confidence was pulled by MPs from two opposition parties, the liberal (SaS) and the HLAS-SD(Voice) – the Social Democracy party. In the end, 78 out of 102 present MPs voted in favour. The outgoing government leaves the unapproved state budget for 2023 (which was supposed to be the cornerstone for the much-needed financial assistance to families and companies during the ongoing energy crisis), the underfunded healthcare system and the management of migration waves. All of these represent huge challenges for the new government.  

The future paths of political instability 

There are three possible future scenarios. First, the government remains in office until regular elections in 2024 (the least likely as these caretaker governments have limited powers). Second, President Čaputová entrusts the formation of a caretaker government to another politician or expert (not likely but technically possible). Third, snap elections take place in the first half of 2023 (most probable). For the last scenario to happen, it would be necessary to pass the amendments to the constitution first, which could be decided simultaneously with a referendum on amending the constitution that is scheduled for 21 January 2023. 

The president, the speaker of the parliament, and the opposition (i.e. social democratic parties HLAS-SD (led by Peter Pellegrini) and SMER-SD (led by Robert Fico)) are the most in favour of snap elections (to happen between April and June 2023). It is exactly these two parties from the opposition that lead the current opinion polls with estimated support of around 20 and 16 percent respectively. In short, as of today, the chances of victory for the social democrats, who were in power before OĽaNO, are high. However, if HLAS-SD would want to form a coalition with SMER-SD, it would have to find two other coalition partners, which would again make the eventual formation and governance much more difficult. 

What kind of foreign policy under a new(old) government? 

Slovakia, after the outbreak of war in Ukraine, has been among the most vocal supporters of Kyiv. It has done so by providing military and humanitarian aid to Kyiv, and by hosting Ukrainian refugees at home. The President of Slovakia was also involved in the promotion of Ukraine’s bid for the EU among EU Member States. Bratislava also approved the presence of NATO soldiers in Slovakia, in a framework of enhanced forward presence. In short, since the outbreak of the war in Ukraine, Slovakia opted for altering its policy of avoiding antagonising Russia. Many fear that a victory for the Social Democrats may change this course.  

According to Eurobarometer, a public opinion poll conducted in the autumn of this year revealed that only every second Slovak supports the actions the European Union is undertaking in the framework of aid to Ukraine. It is the rather negative perception of Ukrainian support that will be fertile ground for Fico’s SMER-SD party, which has already expressed itself many times in a very critical manner towards both Matovič’s and the EU’s support for Ukraine. The Slovaks have traditionally, among EU Member States, had one of the friendliest attitudes towards both Russia and the Kremlin’s policy. For example, 37% of respondents see Russia as one of Slovakia most important strategic partners, and according to the latest edition of GLOBSEC Trends 2022 Slovaks are also one of the most vulnerable countries to conspiracy theories in the region, with 54% subscribing to them, according to the same study. This anti-EU, Russia-friendly stance, in the event of a victory for the Social Democrats, could mean regional convergence with the EU-conflicting foreign policy line followed by the Hungarian party FIDESZ, which has long been in dispute with the EU regarding its position on the war in Ukraine.  

Even though there may be some changes in priorities and approaches, in general we should not expect major changes in Slovakia’s foreign and EU policy. Most likely, to avoid contradictions among Slovakia’s political forces, Bratislava will continue with its tradition of signing a joint statement on foreign policy at the beginning of new term between the president, the prime minister and the speaker of parliament, emphasising that the EU and NATO membership is the best path for a successful and prosperous country. In short, despite political turmoil and a threat of pro-Russian politicians coming to power next year, it is very likely that Slovakia will continue to be a constructive, predictable and reliable partner both in the European Union and on the global stage. 

Authors:
Kinga Brudzińska
Daniel Martínek 

Movie recommendations of the IDM Team



What does the IDM team recommend you to watch during the holidays?

The season to plonk down in front of your screen and binge some movies has come! We all know that when it comes to figuring out what to watch next, it’s a nerve-racking experience. That’s why our IDM team has come up with a list of movies to watch over the break that will also bring you closer to the region and you’ll have the opportunity to see some breathtaking and touching works from directors that come from countries of the Central and Eastern Europe.

We are all surrounded by all-time favorite Christmas movies during this period, but it isn’t the only genre, that’s why we shifted our focus on some other scenarios where interesting stories full of deep messages take place.

What a great way to spend the winter break! Grab a cup of hot chocolate and enjoy!

Sebastian Schäffer, Managing Director 

Schwarze Sonne (Сенке над Балканом), created by Dragan Bjelogrlic

Set in Belgrade between the two world wars spanning over three seasons, I have watched the first one, which runs up to the 6 January dictatorship in the Kingdom of Serbs, Croats and Slovenes. While I can less say about the historical accuracy, I was especially impressed with the atmospheric feel of the show, sceneries and costumes. The plot follows two inspectors in a classical crime story, but brings in the different interest (revolutionary) groups of that time operating in the shadows (hence the original name). 


Malwina Talik, Research Associate 

The Getaway King (Najmro: Kocha, kradnie, szanuje), directed by Mateusz Rakowicz

Gloomy days need some positive vibes! If you want to learn something about the life (and crime) in Poland at the turn of the 1990s then this movie is the right choice. It is a heist comedy based loosely on a life of Zdzislaw Najmrodzki, set against the backdrop of changing times in Poland.

Emma Hontebeyrie, Research Associate 

Acasă, My Home, directed by Radu Ciorniciuc

I discovered this documentary through the 2021 Crossing Europe Festival (Linz, Austria). The movie follows a large family who has been living for two decades in harmony with the nature of the Danube Delta. It is a powerful film which makes you reflect on the notion of freedom and its ethics in “European” societies.  

Daniela Apaydin, Research Associate 

White God (Fehér isten), directed by Kornél Mundruczó

Hungary has an amazingly rich cinema culture and White God is definitely not among the most important ones. Yet I watched this movie in the beautiful Urania Filmszínház in Budapest – which is worth-visiting by itself. The dramatic and dystopian atmosphere of the film has stayed with me ever since. The Hollywood Reporter called White God „an urban adventure yarn about a teenage girl searching for her beloved pet dog. Under its furry skin, an angry allegory for political and cultural tensions in contemporary Europe.” Perhaps I like it because of its rebellious character (which seemed much better than the apolitical resignation I have witnessed so often back in the days). Also, as a dog lover I appreciate that the film was among others awarded with the Palm Dog Award.

Dino Filipović, IDM Trainee

When I Grow Up, I’ll Be a Kangaroo (Кад порастем бићу Кенгур), directed by Radivoje Andric

The film consists of three parallel stories that are interwoven and take place in a suburb of Belgrade. In the first story, the poor Braca takes Iris, a famous fashion model, out on a date – and everything that can go wrong does so. Another story follows Dule and Somi, who have placed a bet on the football match between Manchester United and the fictional Eastwich. Their friend the Kangaroo plays as Eastwich’s goalkeeper and has become the hero of the neighborhood. The third story takes place on the roof of a block of flats where two young slackers, Avaks and Hybrid, spend their days drinking and smoking. Then Avaks sees an unusual occurrence in the night sky

Daniel Martinek, Research associate

Cosy Dens (Pelíšky), directed by Jan Hrebejk

Against the background of two neighbouring families and two different fathers, the film depicts everyday life in socialist Czechoslovakia at the end of the 1960s. On the one hand, one father, a sworn communist who believes in the socialist world and progress, on the other, a war veteran, yearning for the freedoms of the West at the time. The film accompanies us in the months before the Soviet invasion of Czechoslovakia in August 1968, showing us variations in thinking, faith, interests and apathy. It was these interweaving combinations that I enjoyed the most in the film. These different worlds influencing each other, these conflicting desires and indifferences that are (or are not) passed down through the generations. An insight into Czechoslovak society at the time, from which a legacy persists to this day. 

Kinga Brudzińska, Research associate

Queen (Królowa), directed by Łukasz Kośmicki

Queen is a light watch miniseries (4 episodes) on Netflix that touches upon many transformational issues that the Polish society faces nowadays. It is a story about LGBTQ+ rights, (in)tolerance, (non-)acceptance, women rights, and the regions impacted by the transition (ex. market economy and green transformation). In a nutshell, it is the story of a drag queen, Silvestre (Loretta), who left communist Poland to pursue his career as a tailor in Paris. At that time, he was not aware of having a daughter, who turned out to be sick and needed transplantation. He decides to go back home that he left, only to save his daughter’s life.

Darija Benić, IDM Trainee

Diamond of Boyana (Biser Bojane), directed by Milan Karadzić

Đorđe Popović, a young doctor from Belgrade, receives an anonymous call to meet his father. Up until that moment he’s strongly convinced that his father is dead, nevertheless he decides to give in the adventure of discovering his own identity. He leaves for Montenegro and while travelling meets Lola, a young kite boarder, also a daughter of a police inspector. Meanwhile, after many years of serving his sentence, Nikola Popović is coming out of the prison. He’s planning a short visit to Montenegro, just to collect the hidden diamonds stolen long time ago from European jewelry stores. But what he is about to run into is an excitable reception from the police and his old partners interested in those diamonds, he is prepared for anything except to meet his son twenty five years after.

IDM Short Insights 20: Road blocks and gunshots at the Kosovo-Serbia border

Escalations in northern Kosovo have again made international news. Besides blocking roads to border crossings, Kosovo Serbs exchanged gunfire with police and even threw a stun grenade at the EU’s law enforcers (EULEX). While developments must certainly be observed, it can’t be in the interest of both countries to escalate the conflict further than this. But why is this happening now? And what consequences are to expect?