Vortrag vom Generaldirektor der Zentraleuropäischen Initiative Bot. Dr. Harald Kreid

Date/Time
January 20, 2003
16:00 - 19:00 CEST/CET


Harald Kreid im Rahmen der Veranstaltung ‘Die Zentraleuropäische Initiative im veränderten europäischen Umfeld’,  Vortrag vor dem Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM)

‘Ich beginne mit der Europäischen Union. Sie ist das Mekka Osteuropas. Was immer wir in der ZEI thematisch abhandeln, im Handumdrehen sind wir bei der EU gelandet, bei der Wichtigkeit, ihr anzugehören, bei den Schritten, die man setzen muss, um den Beitrittsprozess zu beschleunigen, bei den zu erbringenden Vorleistungen und zu erwartenden Benefizien. Die EU wird zurecht als Stabilitätsbringer und zu Unrecht als Allheilmittel verstanden. Wenn wir uns bemühen, die Aufgaben der ZEI zu definieren, dann steht unweigerlich an erster Stelle die Vorbereitung auf die EU­Mitgliedschaft. Vergeblich habe ich versucht, unsere zentral­ und osteuropäischen Mitgliedstaaten von diesem Thema abzulenken, indem ich auf den Eigenwert der Reformen, die Eigenverantwortung im Entwicklungsprozess oder auf jene Aspekte hinweise, welche durch einen EU­Beitritt keineswegs gelöst würden. Der Erfolg war gering, denn die Fixierung auf die EU ist eine Konstante, mit der man in der ZEI – und wohl auch in anderen Regionalorganisationen ­ rechnen muss.

Diese Einstellung ist zwar durchaus verständlich, aber nicht gerade hilfreich , wenn man sich bemüht, eine gewisse regionale Kohärenz, ein Gefühl von Solidarität zu fördern, wie dies für eine Organisation wichtig ist. Blickt man auf die 17 Staaten, welche der ZEI angehören, so wird man schwer von einer Region im geographischen oder historischen Sinne sprechen können. Da gibt es die beiden hochentwickelten EU­Mitgliedstaaten Österreich und Italien, da gibt es die Gruppe der 5 Kandidatenländer, deren Aufnahme in die EU unmittelbar bevorsteht (Polen, Slowakei, Slowenien, Tschech. Rep., Ungarn), da gibt es zwei Länder in Wartestellung (Bulgarien und Rumänien), da gibt es die Gruppe der Balkanstaaten, zumeist Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien, und da gibt es schließlich drei ehemalige Mitglieder der Sowjetunion – Belarus, Moldawien und Ukraine.

Es ist also eher eine Agglomeration von Staaten, die z.T. wenig miteinander zu tun haben, denen aber gemeinsam ist, dass sie alle nach Westen blicken (im Falle von Belarus ist ein Fragezeichen angebracht) und dass sie an einer privilegierten Zusammenarbeit mit Österreich und Italien interessiert sind. An dieser Stelle wäre anzumerken, dass die ZEI keineswegs allein auf weiter Flur ist. Sie war es bei ihrer Gründung im Jahre 1989, aber seither sind eine Reihe von anderen regionalen Akteuren entstanden, von denen ich hier kurz auf drei verweisen möchte, und zwar den Council of Baltic Sea States (CBSS), die Black Sea Economic Co­operation (BSEC) und die South East European Co­operative Initiative (SECI). Es bestehen bedeutende Unterschiede in der Art und Weise, wie diese anderen Regionalorganisationen organisiert sind. So ist z.B. der CBSS in Form der sog. Nördlichen Dimension von der EU voll anerkannt. Der Wiener Europäische Rat hat im Jahr 1998 zuerst auf Grund einer Kommissionsvorlage die Schaffung einer „Northern Dimension for the Politics of the Union“ beschlossen und beim Gipfel in Feira wurde im Jahr 2000 ein Aktionsplan für die nördliche Dimension angenommen. Die Europäische Kommission ist nicht nur vollberechtigtes Mitglied des CBSS, sondern auch für die Erstellung und Durchführung des Aktionsplanes zuständig. Von einer solchen „Arriviertheit“ können wir in der ZEI nur träumen. Unsere Versuche, zu einer systematischen Zusammenarbeit mit der EU zu gelangen, welche Mitte der 90er Jahre vielversprechend aussahen, haben sich mittlerweile totgelaufen und bei meinem Besuch in Brüssel im Vorjahr war die Botschaft wohlmeinender Bürokraten, dass sich die Kommission nicht in die Aktivitäten regionaler Organisationen einmische. Ich hoffe, dies ist nicht das letzte Wort. Die Kommission ist für häufige Strategieänderungen bekannt und das Beispiel der Northern Dimension beweist, was man in Brüssel bei entsprechendem Geschick alles bewirken kann.

Nach der EU­Erweiterung wird der CBSS nur mehr wenige nicht der EU zugehörige Mitglieder haben, und zwar Island, Norwegen und Russland, doch ist die Einbindung Russlands natürlich von größter Bedeutung. Russland ist auch Mitglied der BSEC, eine von den Vereinten Nationen anerkannte internationale Organisation mit Sitz in Istanbul, wo die türkische Regierung ihr einen prachtvollen Palast direkt am Bosporus zur Verfügung gestellt hat. Von den 11 Mitgliedstaaten der BSEC sind 5 gleichzeitig auch ZEI­Mitglieder, nämlich Albanien, Bulgarien, Moldova, Rumänien und die Ukraine.

In Parenthese möchte ich anmerken, dass – im Gegensatz zur BSEC, die auf zwischenstaatlichen Verträgen beruht – der Status der ZEI umstritten ist. Wir verfügen zwar über ein vollwertiges Sitzabkommen mit Italien, operieren aber im zwischenstaatlichen Bereich informell. Unsere Tätigkeit ist in Form von Richtlinien und Verfahrensregeln festgelegt, welche von unseren Gremien direkt, also ohne aufwändige Ratifikationsverfahren, beschlossen werden. Das erlaubt mehr Flexibilität und stellt daher einen Vorteil dar. Wir befinden uns damit übrigens in bester Gesellschaft, weil auch die OSZE ohne zwischenstaatliche Verträge operiert und nicht einmal über ein völkerrechtlich bindendes Sitzabkommen verfügt. Anders als bei uns, die wir die Bezeichnung „Initiative“ führen, gab es aber offenbar keinen Einwand, als sich die ursprüngliche Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in eine Organisation umtaufte.

SECI hingegen hat eine sehr lose Organisationsstruktur gewählt, um möglichst unbürokratisch vorgehen zu können. Von ihren 12 Mitgliedstaaten gehören nicht weniger als 10 auch zur ZEI. Die Zugehörigkeit derselben Staaten zu mehreren Regionalorganisationen führt unweigerlich zu Überschneidungen in den Aktivitäten, die nicht aufeinander abgestimmt sind, und zu einer bedauernswerten Proliferation von Sitzungen. Die zahlreichen Akteure – zu den genannten muss man noch hinzurechnen die Adriatisch­Ionische Initiative, den South East European Co­operation Process und solche internationale Organisationen wie OSZE, Europarat, UNECE, die EC und die verschiedenen europäischen Geberinstitutionen wie die EBRD oder die EIB, schließlich auch globale Akteure wie FAO, UNESCO, Weltbank – diese zahlreichen Akteure machen kaum Versuche, ihre Tätigkeit zu koordinieren oder auch nur ihre Terminkalender abzustimmen. Seit kurzem gibt es gewisse auf Initiative von Dr. Erhard Busek in seiner Eigenschaft als Stablitätspakt­Koordinator zurückgehende Bemühungen unter den regionalen Organisationen, ihre Aktivitäten besser aufeinander abzustimmen. Erst vor drei Tagen fand in Triest das 3. derartige Koordinationstreffen statt, wobei nicht nur die Terminkalender überprüft, sondern auch konkrete Möglichkeiten einer Zusammenarbeit untersucht wurden. So wird etwa die ZEI unmittelbar mit dem SECI Zentrum für Verbrechensverhütung kooperieren und BSEC wird sich an unseren Arbeitsgruppen für Energie und Landwirtschaft beteiligen.

Man darf sich von dieser Koordinationstätigkeit nicht zuviel erwarten, weil die Eigendynamik und die Eigeninteressen groß sind und die damit einhergehenden organisatorischen Schwierigkeiten nicht unterschätzt werden dürfen. Multilaterale Arbeit ist aufwändig und der Natur gemäss wenig effizient. In meiner jahrelangen Tätigkeit im UNO­Bereich und als Delegierter bei internationalen Konferenzen ist mir klar geworden, was man sich von multilateralen Prozessen legitimerweise erwarten darf und was nicht. Trotz der Umständlichkeit dieser Prozesse sind sie in der heutigen Staatengemeinschaft unentbehrlich, doch erfordern sie bestimmte Verhaltensmaßnahmen, will man sich und sein Land dabei möglichst zur Geltung bringen. Regel Nummer eins ist es, seine Hausaufgaben zu machen, dann gewinnt man bereits einen wichtigen Vorsprung über jene nicht so wenigen Delegierten, die schlecht vorbereitet zu den Sitzungen kommen und daher auf Improvisation angewiesen sind.. Erhält man Instruktionen, so sollten diese möglichst allgemein gehalten sein, damit man genügend Verhandlungsspielraum hat. Im Alleingang kann man es nicht schaffen, man braucht Verbündete, die den Vorschlag unterstützen. Bleibt man allein, dann ist der Vorschlag „gestorben“. Wiederholt man solche Alleingänge mehrmals erfolglos, dann ist man auch als Delegierter „gestorben“, d.h. niemand hört einem mehr zu. Um sich, besonders als Vertreter eines kleineren Landes bei großen Konferenzen Gehör zu verschaffen, muss man zunächst einen gewissen „nuisance value“ erzielen, indem man z.B. gegen die Position eines wichtigen Delegierten oder einer Gruppe auftritt oder anderswie, etwa durch einen prozeduralen Vorschlag, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Eine andere Form, sich Respekt zu verschaffen, ist, wenn man einer anderen Delegation, die in Schwierigkeiten ist, mit guten Argumenten zur Hilfe kommt.

Die Treffen im Rahmen der ZEI sind natürlich anderer Natur. Hier gibt es normalerweise keine Konfrontation, sondern ein konstruktives Miteinander, es sei denn, es geht um Formulierungen besonders dorniger Art wie es z.B. die ethnischen Konflikte am Balkan oder die Einschränkung der Freiheitsrechte in einzelnen

Mitgliedstaaten sind. Im gewissen Sinn leisten wir in der ZEI eine multilaterale Schulungstätigkeit, die Delegierten erleben bei uns oft erstmalig, wie man Sitzungen vorbereitet, wie man gemeinsame Entscheidungen erzielt, wie man sich im Verhandlungsfalle verhält.

Die ZEI als Schule und Vorbereitung auf größere Herausforderungen wie etwa die EU oder NATO Mitgliedschaft, dies ist eine Rolle, welche wir von Anbeginn gespielt haben. Der Anfang war – eine Nachbarschaftsangelegenheit. Als 1989 der Auflösungsprozess in Osteuropa begann, lancierte der damalige italienische Außenminister Gianni De Michelis, ein gebürtiger Venezianer, den Plan einer italienischen Ostpolitik und lud Österreich als zweiten westlichen Partner zur Teilnahme ein. Was damals entstand, wurde unter dem Namen „Quadrilaterale“ bekannt und umfasste einen NATO­Staat (Italien),einen Neutralen (Österreich), ein nichtpaktgebundenes Land (Jugoslawien) und einen Warschauer Pakt Staat (Ungarn). Dieses Konzept wurde von den politischen Ereignissen schon rasch überholt. Die Auflösung des Warschauer Paktes im Jahr 1991 und der ebenfalls 1991 beginnende Zerfallsprozess Jugoslawiens veränderten die Grundvoraussetzungen der Zusammenarbeit. Statt jedoch ihr Interesse daran zu verlieren, intensivierten die Partner ihre Aktivitäten, ja man kann sagen, die neuen Bedingungen schufen erst so richtig eine Grundlage für eine gedeihliche und tragfähige Zusammenarbeit zwischen Staaten, welche nunmehr von denselben Grundvorstellungen einer pluralistischen Demokratie und Marktwirtschaft inspiriert waren.

Die am Gipfel in Venedig 1990 erfolgte Ankündigung, dass die neue Organisation sich als Brücke und Wegbereiter zur EU verstand, erregte den Wunsch anderer Staaten beizutreten. Als die Tschechoslowakei beitrat, musste der Name auf „Pentagonale“ abgeändert werden, ein Jahr später – bei der Aufnahme Polens – verwandelte man sich in eine „Hexagonale“. Auf die Dauer erwies sich diese Methode als unbrauchbar. Der Zerfall Jugoslawiens erbrachte 1992 drei Mitgliedstaaten, nämlich Slowenien, Kroatien und Bosnien­Herzegowina und da beschloss man schließlich, den Namen der Organisation von der Zahl ihrer Mitglieder abzulösen. So entstand die Zentraleuropäische Initiative, doch sollte man nicht außer acht lassen, dass für die mehrfache Namensänderung ein Preis zu bezahlen war. Als die Penta­ und Hexagonale in den turbulenten Zeiten des Umsturzes im Osten auf den Plan getreten war, genoss sie beträchtliches Medieninteresse und zog die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich, die später nicht mehr in der Lage waren, die verschiedenen Metamorphosen der Organisation mitzuvollziehen. So kommt es, dass man noch heute auf Leute trifft, die mit dem Begriff ZEI nichts anfangen können, aber dann bei der Nennung des Wortes Penta­ oder Hexagonale wissend nicken.

Ohne Ihnen eine Chronologie der ZEI geben zu wollen, muss ich doch gesondert auf das Jahr 1996 zu sprechen kommen, da es zwei wichtige Veränderungen gebracht hat. Einerseits verließ die ZEI mit der am Grazer Gipfel beschlossenen Aufnahme von Albanien, Bulgarien, Belarus, Moldova, Rumänien, und der Ukraine den geographischen Raum, nämlich Zentraleuropa, auf den sie sich ursprünglich konzentrieren wollte. Mit dieser Entscheidung war die ZEI zu einer komplexen und inhomogenen Struktur mit 16 Mitgliedstaaten angewachsen, denn Mazedonien und die beiden Nachfolgestaaten der Tschechoslowakei waren bereits 1993 beigetreten. Als letztes und 17. Land kam 2000 noch Jugoslawien hinzu. Die ZEI umfasste damit eine Landfläche von 2,4 Mio. km2 und 250 Mio. Einwohner (Zum Vergleich: Die EU umfasst 3,2 Mio. km2 und 376 Mio. Einwohner). Es war klar, dass man eine solche Organisation allein mit Hilfe des rotierenden Vorsitzes nicht erfolgreich managen konnte. Es war daher ein logischer Schritt, dass man sich 1996 dazu entschloss, ein permanentes Sekretariat mit Sitz in Triest zu schaffen, für dessen Kosten Italien aufkommt, während Österreich die Kosten des Generaldirektors und Slowenien diejenigen eines Stellvertretenden Generaldirektors übernahm.

Die Wahl Triests als Sitz der Organisation war eine besonders glückliche. Als östlichste Stadt Italiens, hart an der Grenze zu Slowenien, ist Triest ein natürliches Tor zum Balkan. Eigentlich gehört es geographisch bereits zum Balkan, weil hier der Karst beginnt, der sich dann die dalmatinische Küste hinunterzieht. Triest ist auch eine sehr österreichisch geprägte Stadt, die bereits im 14. Jahrhundert bei den Habsburgern Schutz gegen Venedig gesucht und seither mit Österreich und seiner Geschichte eng verbunden geblieben ist. Triest war denn auch das letzte Territorium, das die österreichisch­ungarische Armee 1918 räumte und Italien überließ. Nach dem zweiten Weltkrieg war Triest, neben Berlin, die umstrittenste Stadt zwischen Ost und West. Erst 1975 konnte im Vertrag von Osimo Einigung zwischen Italien und Jugoslawien über die territorialen Fragen erzielt werden. Diese dramatischen Konflikte haben sich dem Gedächtnis der Triestiner voll eingeprägt und zu einer Mentalität beigetragen, in der Nationalismus Hand in Hand mit dem Bedürfnis nach Öffnung und Offenheit geht. Vor allem weiß man, dass Triest seine einstige Bedeutung nur zurückgewinnen kann, wenn es das Potential seiner geographischen Lage im Hinblick auf Zentral­ und Osteuropa voll ausschöpft, wie dies unter Alt­Österreich der Fall war. Die Nostalgie, die sich der habsburgischen Vergangenheit gegenüber in Triest fühlbar macht, kommt auch den Interessen der ZEI entgegen.

So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass die Behörden der Stadt Triest und der Region Friuli­Venezia Giulia an der Organisation Anteil nehmen. Die Region hat der ZEI im historischen Zentrum Triests, das aus der Zeit Maria Theresias stammt und daher noch heute „borgo teresiano“ heißt, Büro­ und Konferenzräume zur Verfügung gestellt, und leistet auch einen finanziellen Beitrag zu den Kosten des Sekretariates. Wir bemühen uns, möglichst viele der ca. 60 jährlichen Treffen unserer Organe in Triest abzuhalten, was bisher nicht der Fall war. Auf diese Art verringern sich nicht nur die Reisekosten des Personals, sondern der persönliche Kontakt zu den Delegierten und die Serviceleistung des Sekretariates können wesentlich verbessert werden.

Lassen Sie mich kurz darlegen, wie die Organisation funktioniert. Wir operieren in drei voneinander unabhängigen, aber naturgemäß miteinander kooperierenden Dimensionen – die Regierungs­, parlamentarische und Wirtschaftsdimension. Letztere ist vor allem durch die Zusammenarbeit der Handelskammern gegeben. Die Regierungsdimension funktioniert auf drei Ebenen, auf der politischen, beamteten und Expertenebene. Die politische Ebene ist repräsentiert durch die regelmäßigen Treffen unserer Regierungschefs und Außenminister, zu denen noch ad hoc Treffen bestimmte Ressortminister kommen. Im vergangenen Jahr gab es solche ad hoc Treffen im Bereich der Wirtschaft, Medien, Kultur und Landwirtschaft. Auf Beamtenebene sind vor allem zu nennen das Treffen der politischen Direktoren und der Nationalen Koordinatoren. Letztere sind durchwegs Karrierediplomaten, die sich etwa einmal monatlich zusammenfinden, um über die laufenden Angelegenheiten der Organisation zu beraten. Sie sind der zentrale Transmissionsriemen, über den sowohl die Vorbereitung der politischen Treffen als auch die Überwachung der Tätigkeit auf Expertenebene läuft. Die dritte operative Ebene der Experten spielt sich in ca. 15 Arbeitsgruppen ab, welche die Projektarbeit und die technische Hilfe betreuen. Die Arbeitsgruppen decken ein weites Tätigkeitsfeld ab, von Wissenschaft und Technologie über Zivilschutz, Verbrechensbekämpfung und Minderheiten bis hin zu Fragen des Transports, der Umwelt, Energie oder Tourismus. Wir sind darum bemüht, die Arbeitsgruppen zur Identifizierung geeigneter konkreter Projekte anzuhalten, welche dann bis zu 50% aus einem der Fonds finanziert werden, die uns zur Verfügung stehen. Bei diesen Fonds handelt es sich um den aus Beiträgen der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Kooperationsfonds und dem bei der EBRD in London angesiedelten italienischen Trustfonds, aus dem überwiegend wirtschaftsbezogene Projekte bestritten werden. Ich gebe einige Beispiele von Projekten, die in jüngster Zeit von uns mitfinanziert wurden:

  • Mikrokredite in albanischen ländlichen Zonen
  • landwirtschaftliche Großmärkte in Kroatien, Polen, Rumänien und Ungarn
  • „Business Advisory Services“ in Bosnien, Bulgarien, Kroatien, Mazedonien und Slowenien
  • Studie über grenznahe Verkehrswege in der Ukraine
    Handbuch für Investoren in der ZEI­Region
    internationales Symposium über die Planung von Hafenanlagen
    Trainingskurs für Unternehmerinnen in Italien und Österreich
    Fernsehserie über Korruption in Jugoslawien
  • internationale Konferenz über Probleme staatlicher Regulierung im sozio-ökonomischen Bereich in Belarus
  • Studie über den Ausbau des Eisenbahnnetzes in Rumänien
  • Modernisierung der Flugplätze von Sarajewo und Ohrid
  • Seminar über die Arbeit mit talentierten Kindern in der Tschechischen Republik

Wenn ich diese Beispiele gebe, will ich nicht den Eindruck erwecken, dass die ZEI primär eine Geberorganisation ist. Unsere Mittel sind beschränkt und unsere Aufgabe ist daher mehr die eines „facilitator“ als die eines „donor“. Aber auch das sollte nicht unterschätzt werden. Wirft man einen Blick auf die Entwicklungshilfe, die über ein halbes Jahrhundert hinweg den armen tropischen Ländern zugeflossen ist, von denen es vielen heute schlechter geht als beim Erhalt der Unabhängigkeit, so drängt sich der Schluss auf, dass eine erfolgreiche Entwicklung nicht vom Ressourcentransfer abhängt. Wachstum ist nicht so sehr eine Folge des Ressourcentransfers, sondern von der erfolgreichen Schaffung von Anreizen für den Einzelnen. Die Menschen müssen an ihre Zukunft glauben können, sie müssen das Gefühl haben, dass ihre Anstrengungen sich lohnen und dies setzt voraus, dass ein bestimmtes Umfeld gegeben ist. Dazu gehören institutionelle Stabilität, ein funktionierender Rechtsstaat, in dem das Eigentum respektiert wird, eine Wirtschaftspolitik, welche Investitionen schützt und Ersparnisse nicht durch ungezügelte Inflation oder negative Zinsen untergräbt. Dazu kommt noch ein weiteres wichtiges Element: Der Transfer von Wissen und know­how in einer organischen Form, d.h. in einer absorbtionsfähigen Form, etwa durch joint ventures oder ausländische Direktinvestitionen. Dabei ist der Demonstrations­ und Imitationseffekt oft wichtiger als die Investition selbst.

Dies ist auch für eine Organisation wie die unsere von Bedeutung: durch Demonstration zur Imitation anzuregen, ein Beispiel für Managementkultur und Arbeitsethos zu geben oder im politischen Bereich demokratische Formen der Konfliktlösung zu fördern. Die EU­Erweiterung wird bei diesem Prozess eine große Rolle spielen. Auch bei der Osterweiterung geht es nicht so sehr darum, was jeder der neuen Mitgliedstaaten aus Brüssel erhalten wird, obgleich dies natürlich im Zentrum der Verhandlungen und der öffentlichen Aufmerksamkeit stand. Es geht vielmehr um den Gewinn an Stabilität, Berechenbarkeit und um den damit verbundenen Glauben der neuen EU­Bürger an ihre eigene Zukunft. Dies ist meiner Ansicht nach der wesentliche Beitrag, den die EU den Osteuropäern bietet.

Für die ZEI hat die EU­Erweiterung natürlich gewichtige Konsequenzen. Waren bisher mit Österreich und Italien nur zwei unserer Mitgliedsaaten in der EU, so werden es demnächst sieben und in absehbarer Zeit sogar neun sein, wenn Rumänien und Bulgarien hinzukommen. Jedermann spricht davon, dass man neue Trennlinien in Europa vermeiden müsse, dass die Erweiterung nicht zu Barrieren führen dürfe, die einer neuen Zweiteilung Europas gleichkäme. Dies ist aber leichter gesagt als getan. Ist man einmal EU­Mitglied, dann ist man Teil eines Entscheidungsprozesses, der nur unter den Mitgliedern abläuft. Wer nicht dazugehört, ist automatisch ausgeschlossen. Die Nicht­Mitglieder haben praktisch keine Möglichkeit, auf die Entscheidungen Brüssels Einfluss zu nehmen, ihnen bleiben nur die Optionen, freiwillig EU­Recht zu übernehmen, ihre Politik der EU so weit wie möglich anzupassen, mit der EU durch spezielle vertragliche Abmachungen zusammenzuarbeiten oder in die EU Hilfsprogramme auf der Empfängerseite mit einbezogen zu werden.

Diese Situation weist der ZEI und vergleichbaren Organisationen wichtige Aufgaben zu. Die ZEI transzendiert die EU­Grenzen, sie ist also ein gemischtes Gebilde, per definitionem grenzüberschreitend. Ich halte das Bestehen und die Fortentwicklung solcher hybrider Gebilde für die zukünftige Befindlichkeit Europas für ganz besonders wichtig, weil sie der Gefahr einer Blockbildung oder Zweiteilung entgegenwirken, weil sie Querverbindungen schaffen und Kommunikationslinien offen halten. Sie bieten Gelegenheiten für Begegnung und Diskussion und können dem Entstehen einer Psychologie des Ausgeschlossenseins begegnen. Die Aufgabe der ZEI in dieser neuen Phase lässt sich dahingehend umreißen, dass wir Solidarität und Kohärenz unter unseren Mitgliedstaaten fördern, indem wir die EU Außengrenzen überschreiten und überschreitbar machen gemäß unseres Mottos: „Working together, growing together, living together“.

Wir senden damit ein wichtiges Signal, aber ein Signal allein ist zu wenig. Wir müssen darüber hinausgehende Aktivitäten setzen, um unsere künftige Existenz zu rechtfertigen, und diese Aktivitäten werden fast zwangsweise entwicklungspolitischer Art sein. Denn die Staaten, die vorerst aus der EU ausgeschlossen bleiben, sind gleichzeitig auch die bedürftigsten und jene mit den größten politischen und

wirtschaftlichen Problemen. Das bedeutet, dass sich der Schwerpunkt unserer Tätigkeit verschieben wird zu den sog. „countries in special need”. Es handelt sich dabei um nicht weniger als neun unserer Mitgliedstaaten mit einem per capita Einkommen unter 2000 €, und zwar Albanien, Belarus, Bosnien­Herzegowina, Bulgarien, Mazedonien, Moldawien, Rumänien, die Ukraine und Jugoslawien.

20. Diese Staaten haben fast alle noch einen langen Weg bis zu einer EU Mitgliedschaft vor sich. So sehr sie auf Grund ihrer Zurückgebliebenheit auf unsere Hilfe und auf Hilfe überhaupt angewiesen sind, so schwierig ist es auch, ihnen in wirksamer Form zu helfen. Mit vielen dieser Staaten ist die Kommunikation schwierig. Ein Projekt in Albanien oder Moldawien umzusetzen, erfordert einen wesentlich größeren Aufwand als dasselbe Projekt in einem der EU­Kandidatenländer durchzuführen. Im Grunde sollte die Rendite angesichts des größeren Bedarfes besonders hoch sein. Dies ist aber durch nichts garantiert, denn aus Erfahrung weiß man, dass für den Erfolg einer Aktivität das Umfeld im Land maßgebend ist. Wieder möchte ich auf die Entwicklungsländer hinweisen, wo unzählige gutgemeinte Initiativen versandet sind, weil die entsprechenden Absorptionskapazitäten nicht gegeben waren. Dies bedeutet, dass die entwicklungsbezogene Tätigkeit der ZEI eine besonders schwierige ist und wir besonders umsichtig vorgehen müssen. Wir versuchen schon jetzt „demand driven“ zu arbeiten und Partner zusammenzukoppeln, von denen zumindest einer über die entsprechende Technologie und das know­how verfügt, die erfolgversprechend sind.

Zum Abschluss meiner Ausführungen, einige Worte über den Regionalismus. Regionalismus ist „in“. Innerstaatlich ist der Trend zu den Regionen unverkennbar. Auch Staaten, die zentralistisch konzipiert sind, geben den Regionen immer mehr Raum. Die ZEI ist natürlich nicht mit einer innerstaatlichen Region vergleichbar. Wie eingangs dargelegt, ist sie auch durchaus nicht homogen. Sie verdankt ihre derzeitige Ausformung ihrer Attraktivität für eine Reihe von Staaten. Es wäre übertrieben, hierbei von bloßer Zufälligkeit zu sprechen, sicher ist aber auch, dass die ZEI in ihrer heutigen Erscheinungsform nicht vorausgeplant war. Ihr Zusammenhalt ist eine Frage des politischen Willens und nicht der Geographie oder der Geschichte. Er ist eine

Frage der Psychologie und des Kalküls des Nutzens, den eine Zusammenarbeit in einer solchen Gruppierung erbringen kann. Bisher konnte die ZEI auf die Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten zählen. Es gibt gute Gründe – und ich habe versucht, sie Ihnen darzulegen – warum es auch in Zukunft so bleiben könnte, warum die ZEI auch im veränderten europäischen Umfeld eine Rolle spielen kann. Ich glaube jedenfalls, dass sie den neuen Herausforderungen gewachsen ist.’

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