April 2004: IDM-Brüssel-Reise für Jungwissenschaftler

Datum/Zeit
April 22, 2004
09:00 - 19:00 MESZ/MEZ


Unter dem Motto „Die EU-Erweiterungsrunde 2004 und die Integration SO-Europas“ fand nur wenige Tage vor dem historischen Datum des 1. Mai eine Brüssel-Reise des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) statt. Der in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission (EK) organisierte Aufenthalt für Jungwissenschaftler nahm seinen Anfang mit einem Besuch in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der EU. Das Auftaktgespräch mit dem Leiter, Botschafter Gregor Woschnagg, drehte sich um die Rolle Österreichs bei der Erweiterung und die Perspektiven für die weitere Entwicklung der EU.
SCHWIERIGSTE, ABER BESTVORBEREITESTE ERWEITERUNG
Woschnagg bewertete die Erweiterung um zehn neue Länder als die schwierigste, aber bestvorbereitete der Union. Die größte Herausforderung für die „Neuen“ während des Beitrittsprozesses war seiner Ansicht nach die vollständige Übernahme des Acquis communautaire. Dieser umfasst immerhin rund 90.000 Seiten an Rechtstexten, von denen wiederum an die 40.000 Seiten nur die Landwirtschaft betreffen, und „ändert sich praktisch jeden Tag“.
Klagenflut zu erwarten
Nach der Erweiterung rechnet Woschnagg mit zahlreichen Klagen seitens der EU gegen die neuen Mitglieder wegen Verletzungen des 5.000 Seiten umfassenden Vertrages. Das ist weiter nicht ungewöhnlich. Mit Vertragsverletzungsverfahren ist auch Österreich seit seinem EU-Beitritt konfrontiert, und bisher musste man sich in neun Fällen, die vor dem Gerichtshof ausgetragen wurden, geschlagen geben. Diese Klagen werden in den meisten Fällen von Einzelpersonen ausgelöst. Faktum ist, dass die „Neuen lernen müssen, dass sie in einem Rechtsraum leben und nicht in einem Wirtschaftsraum und das wird schwierig werden“, so Woschnagg. Die Problematik liegt seiner Einschätzung nach in der technischen Umsetzung.
Die meisten Klagen erwartet Woschnagg in den Bereichen Umwelt und Lebensmittelsicherheit. Gewisse Lebensmittel sind derzeit nur im jeweiligen Land selbst zu essen und nicht EU-weit, da diese den EU-Normen nicht entsprechen. „Die Diskriminierung der EU-Bürger ist verboten, aber die der eigenen Bürger nicht“, mit diesen Worten brachte Botschafter Woschnagg die doch etwas eigenwillig anmutende Situation auf den Punkt.
Schutzklausel ist Damoklesschwert
Die erstmals für neue EU-Mitglieder drei Jahre lang nach dem 1. Mai anwendbare Schutzklausel stuft der Botschafter als „Damoklesschwert“ ein, von dem er hofft, dass es nicht verwendet wird. Diese gemäß Woschnagg „brutale Sache“ ist aber wenigstens nach drei Jahren aus.
Konsens in Budgetfrage dringend nötig
Mit dieser Erweiterungsrunde wächst die EU-Bevölkerung um 23% an, doch nur 4,5% BIP kommen hinzu. „Die EU erweitert sich um arme Länder, das merkt man vor allem an den Budgetstreitigkeiten“, so Woschnagg. Seiner Meinung nach ist hier ein Konsens dringend nötig, da das Budget durch die nationalen Parlamente gehen muss.
Haltung Österreichs im Beitrittsprozess
Im Zusammenhang mit der Haltung Österreichs im Zuge der Beitrittsverhandlungen betonte Woschnagg zwei wichtige Faktoren. Erstens, die lange Grenze des Landes von 1.300 km zu einigen der neuen Mitglieder und zweitens, die Nähe der Ballungszentren zu einigen der „Neuen“. Diese besondere Situation Österreichs hat zur Übergangsfrist im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit geführt. Woschnagg hält die nun in Kraft getretene stufenweise Lösung für „nicht schlecht“, schließlich seien auch andere Länder nachgezogen. Doch zugegebener Maßen hätte diese Übergangsfrist zu Irritationen bei den „Neuen“ geführt, die aber seiner Ansicht nach, schön langsam die österreichische Position verstehen.
Künftige Erweiterungsrunden
Auf die Frage, ob Bulgarien und Rumänien planmäßig 2007 der Union beitreten können, antwortete Woschnagg, dass man es schaffen werde. Große Probleme gebe es mit Rumänien, aber dennoch zeigte sich der Botschafter optimistisch. Er hält jedenfalls das Jahr 2007 nicht für zu ehrgeizig, denn die EU setze sich immer „künstlich Ziele“, die aber auch gehalten werden. Für Kroatien stuft Woschnagg dieses Datum für nicht realistisch ein. Die Frage nach dem Beitritt der Türkei könne er heute nicht beantworten.
Transitproblematik
Im Zusammenhang mit der Transitproblematik hob Woschnagg hervor, dass viele Versäumnisse auf das Konto der österreichischen Regierung gehen. Die EK ist laut Woschnagg auf Österreichs Seite, und es ist unbestritten, dass etwas getan werden muss, um den Verkehr in den Griff zu bekommen. Klar ist aber auch, dass Österreich seine Hausaufgaben machen muss, wie den Brenner-Basis-Tunnel. Woschnagg ist der Überzeugung, dass in diesem Bereich ein policy-mix, der aus saubereren Motoren, Bahnausbau, etc. besteht, die beste Lösung wäre. „Das wird der Weg sein, denn es geht nicht nach dem Motto wie die Tiroler gerne hätten: Tourismus ja, aber Touristen sollen draußen bleiben.“
(Susan Milford)
ERWEITERUNG: WAS GESCHAH UND WIE GEHT ES WEITER?
Die EU kam nach der Wende 1989 unter Zugzwang und musste auf die politischen Ereignisse in Europa reagieren. Die Länder des ehemaligen Ostblocks wollten lieber heute, als morgen der EU beitreten. Aber das war nicht möglich, da die Union über einen komplexen Rechtsbestand verfügt und die Länder noch schwierige Transformationsprozesse zu bewältigen hatten, wie die Umwandlung in Marktwirtschaften. Mit diesen Gedanken leitete Franz Czermak von der EK, Generaldirektion „Erweiterung“, seinen Rückblick auf die Anfänge der letzten EU-Erweiterung ein.
Es folgten die Europaabkommen als erster wichtiger Schritt seitens der EU. Diese waren laut Czermak „nicht schlecht“, aber auf Dauer „nicht genug, da alle Beitrittsanträge stellten“. Es folgten zwölf Gesuche, von denen die eine Hälfte positiv, die andere negativ bewertet wurde. Ab Frühjahr 2000 wurden schlussendlich zwölf Verhandlungen (mit den zehn neuen Mitgliedern sowie den Kandidaten Bulgarien und Rumänien) parallel geführt. Das war eine neue Situation, da die EU sonst maximal mit vier Ländern gleichzeitig verhandelt hatte. „Es war schwierig für alle, da es sich um sehr verschiedene Kapitel, die teils sehr komplex sind, handelte“, erinnerte sich Czermak. Er ist in der Direktion „Verhandlungen, Beitrittsvorbereitung und Koordinierung“ tätig und folglich mit dem über viele Jahre abgewickelten Beitrittsprozess der neuen Mitglieder bestens vertraut. Die EK muss dem Rat eine Position vorschlagen, dabei handelt es sich gemäß Czermak um einen komplizierten Vorgang, da es viele Revisionen gibt, bis letztlich eine Position entsteht, der wiederum der Kandidat zustimmen muss.
Es gibt auch bei dieser Erweiterungsrunde eine Reihe von Übergangsfristen, dauernde Ausnahmeregelungen sind aber nicht vorgesehen. Die Verhandlungen selbst beschäftigen sich vor allem mit der Dauer sowie der Umsetzung dieser Fristen, die ausnahmslos funktionieren muss. Ebenso muss die Umsetzung des Rechtsbestandes voll und ganz gewährleistet sein. Zwei Knackpunkte in den Verahndlungen waren die Direktzahlungen im Bereich der Landwirtschaft sowie die Förderungen im Bereich Regionalpolitik.
Ein letzter wichtiger Schritt vor dem EU-Beitritt der zehn „Neuen“ waren die Beitrittsreferenden (ausgenommen Zypern). Diese sind überall positiv ausgegangen.
Bulgarien und Rumänien
Zu den beiden Kandidatenländern Bulgarien und Rumänien merkte Czermak an, dass die Verhandlungen insbesondere mit Bulgarien schon sehr weit seien. Die irische Ratspräsidentschaft plant im Juni die Verahndlungen abzuschließen. „Das ist eher nicht realistisch, da man noch einige Monate länger benötigen wird“, so die Einschätzung Czermaks. Es sind noch schwierige Kapitel, wie Landwirtschaft und Wettbewerb ausständig und mit Rumänien sind erst 23-24 der Kapitel abgeschlossen. Im Falle Rumäniens gibt es aber nicht nur auf dem Gebiet der Wirtschaft, sondern auch bei den politischen Kriterien Schwierigkeiten. So z.B. mit den Kinderheimen, dem Adoptionsrecht und der Pressefreiheit. Czermak stuft den 1.1.2007 als „Arbeitshypothese“ ein und hofft auf einen Reformschub in Rumänien im Zuge der bevorstehenden Wahlen.
Türkei – es geht in die richtige Richtung
Zur Türkei merkte Czermak an, dass der Rat von Helsinki 1999 das Land als Kandidat bestätigt hat. „Sind die politischen Kriterien gewährleistet, so muss man verhandeln“, so Czermak. Die Empfehlung der EK geht im Herbst an den Rat. Fällt diese positiv aus, so wird im Frühjahr 2005 mit Verhandlungen begonnen. Klar ist, dass sich in der Türkei sehr viel verbessert hat, z.B. im Gesetzgebungsbereich, Einflussnahme des Militärs auf die Verwaltung, etc. Doch die Frage lautet gemäß Czermak: „Wie ist es in der Praxis?“ „Es geht in die richtige Richtung, aber die Fortschritte sind noch nicht ausreichend“, mit diesen Worten charakterisierte Czermak die momentane Situation.
Europäische Perspektive für SO-Europa
Ja, sagt die EK zum Beitrittsverhandlungen mit Kroatien. Das Jahr 2007 hält Czermak für „illusorisch“, er rechnet mit einem Beitritt 2008/2009, da Kroatien ein „unproblematischer“ Fall sei.
Derzeit bearbeitet die EK den Beitrittsantrag Mazedoniens. Czermak ist der Meinung, dass die Bewertung „eher positiv, als negativ“ sein wird. Die CARDS-Förderprogramme für Bosnien-Herzegowina, Albanien und Serbien-Montenegro belaufen sich jährlich auf 1 Mrd. Euro. Es werden auch Überlegungen für ein Stabilisierungs- bzw. ein Assoziierungsabkommen angestellt, doch das sind laut Czermak alles Aufgaben für die nächsten Jahre. Für wichtig erachtet er allerdings, dass es für diese Länder eine „Europäische Perspektive“ gibt, „falls sie die Kriterien erfüllen, sollen sie der EU beitreten können.“
Grenzen der EU
An seine Grenzen stößt die EU nicht nur im Bereich der Steuerpolitik, sondern auch in der Gemeinsamen Außenpolitik. Doch Czermak rechnet im Zuge der Erweiterung, die mehr Stimmen für die EU bringt, auch mit mehr Einfluss der Union in internationalen Organisationen. Die Differenzen in Folge des Irak-Krieges bezeichnet er als „grauenhaftes Beispiel, auch für die Kandidantenländer.“ Das Problem lag seiner Meinung nach, nicht darin, dass es unterschiedliche Standpunkte gab, sondern darin, dass diese nicht abgesprochen wurden. Doch lässt sich schwer voraussagen, ob es in der EU-25 prinzipiell schwieriger wird eine GASP zu gewährleisten. Vermutlich wird das vom jeweiligen Konflikt bzw. Thema abhängen. Klar ist, dass die „Neuen“ ein anderes USA-Bild haben als die alteingesessenen EU-Mitglieder. Für die neuen EU-Mitglieder nehmen sie verstärkt die Position des Befreiers ein und das Bild ist weniger kritisch. Andererseits können die neuen Mitglieder Erfahrungen einbringen mit Russland oder SO-Europa. Insgesamt rechnet Czermak nicht damit, dass die Erweiterung einen großen Einfluss auf die GASP haben wird.
Die Richtigkeit der Erweiterung untermauerte Czermak mit den Ergebnissen einer Studie der EK, gemäß der nur 60% der Bevölkerung in den Beitrittsländern (mittlerweile schon fast alle EU-Mitglieder) mit ihrem Leben zufrieden sind, hingegen in den damals noch EU-15 immerhin 90%. „Dieses Ergebnis spricht für die Ausweitung des Sicherheitsraumes“, zeigte sich Czermak optimistisch.
(Susan Milford)
DIE NEUEN MITGLIEDER SIND GUT VORBEREITET
TAIEX leistet den Kandidatenländern seit acht Jahren Unterstützung bei der Umsetzung des Acquis communautaire. Obwohl nicht alle Punkte bis dato optimal erfüllt sind, zieht Christiane Kirschbaum vom TAIEX-Referat der GD Erweiterung eine positive Bilanz.
Die Tätigkeit von TAIEX, die sich in der Organisation von ca. 40 Seminaren/Woche manifestierte, wird mit dem Beitritt der zehn neuen Mitglieder am 1. Mai 2004 nicht eingestellt. Die Unterstützung soll weitere drei Jahre fortgesetzt werden. Darüber hinaus werden auch neue Länder in den Tätigkeitsbereich integriert. Neben den Kandidatenländern Bulgarien, Kroatien, Rumänien und Türkei sollen auch die Länder des westlichen Balkans sowie eventuell auch die „neuen Nachbarn“ (siehe Beitrag „Keine neuen Barrieren schaffen“ in diesem Heft) von TAIEX profitieren.
Stand der Vorbereitung
Im November 2003 präsentierte die Kommission umfassende Beobachtungsberichte über den Stand der Vorbereitung. Im März 2004 folgten Warnbriefe zur Einmahnung der noch nicht umgesetzten Richtlinien. Am 22. April wurden schließlich bedeutende Fortschritte festgestellt, obwohl einige Länder insbesondere in den Bereichen Lebensmittelsicherheit, Grenzschutz und gegenseitige Anerkennung von Diplomen noch säumig sind.
Frau Kirschbaum identifizierte drei Bereiche, wo besondere Mängel festgestellt wurden:
1) Die administrativen Strukturen, um Agrar- und Strukturfonds verwalten zu können, sind nicht entsprechend entwickelt.
2) Das Justizsystem wird mangelhaft verwaltet. Die Unabhängigkeit der Richter ist oft nur pro forma gewährleistet.
3) Die Korruption im öffentlichen Sektor ist Besorgnis erregend. Eine Änderung des Verhaltens wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Schutzklauseln
Erwähnenswert sind auch die so genannten „safeguard measures“: Auf Antrag einzelner Mitgliedsländer können Schutzklauseln in den Bereichen Binnenmarkt und Zusammenarbeit Inneres und Justiz verhängt werden. Das kann z.B. zu Exportverboten bestimmter Produkte führen oder zur Nichtanerkennung von Gerichtsurteilen eines Landes.
Von diesem Schutzmechanismus wurde noch nicht Gebrauch gemacht. Da die Erweiterung relativ rasch durchgeführt wurde, ist dessen Einsatz in einzelnen Punkten aber durchaus wahrscheinlich.
Überprüfung der Umsetzung
Bislang mussten die neuen Mitgliedstaaten die Umsetzung der jeweiligen Richtlinie bloß melden. Ab dem Zeitpunkt des Beitritts muss nun überprüft werden, ob die Implementierung tatsächlich richtig und in vollem Umfang erfolgt ist. Diese Überprüfung bringt einen enormen Arbeitsaufwand für die Kommission mit sich, da eine EU-Richtlinie oft Auswirkungen auf mehrere nationale Gesetze verursacht. Zahlreiche Vertragsverletzungsverfahren gegen die neuen Mitglieder sind zu erwarten. Allerdings muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass auch gegen die EU 15 eine große Anzahl von Verfahren am EUGH anhängig ist.
(Gerald Roßkogler)
KEINE NEUEN BARRIEREN SCHAFFEN
Das Ziel der neuen Nachbarschaftspolitik der EU ist klar definiert: Mit den Nachbarn in einen vertieften Dialog eintreten, ohne diesen vorerst eine Beitrittsperspektive zu eröffnen. Das von Think Tanks der EU als „Wider Europe“ vorbereitete politische Konzept wird von einem Arbeitsstab in der Generaldirektion Erweiterung umgesetzt. Andreas Herdina, Leiter der Abteilung „Bereichsanalyse“ des Stabes, berichtete über dessen Aktivitäten.
Aufgrund der Interdependenz mit den Ländern an den neuen Grenzen der EU wurden Konsultationen für den Abschluss von Aktionsplänen zur Förderung von politischen, ökonomischen und institutionellen Reformen gestartet.
Die vier Themenbereiche sind:
– Zugang zum Binnenmarkt
– Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres
– Transport, Umwelt, Energie, Informationstechnologien
– Zivilgesellschaft: Bildung, Wissenschaft, Gesundheit
Die Gruppe der 14 Nachbarländer ist äußerst heterogen. Mit Russland wurden spezielle Beziehungen etabliert. Das Land gilt als strategischer Partner der EU. Die Probleme um die russische Exklave Kaliningrad wurden großteils ausgeräumt. Die Forderungen Russlands, für Verluste aus der EU-Erweiterung 2004 entschädigt zu werden, sind für die EU kein Verhandlungsgegenstand. Mit Belarus ist aufgrund politischer Probleme eine engere Zusammenarbeit derzeit nicht möglich.
Mit der Moldau und der Ukraine wurden die Konsultationen über den Abschluss von Aktionsplänen begonnen. Beide Länder zeigen sich enttäuscht, dass ihnen keine unmittelbare Beitrittsperspektive eingeräumt wurde. Als europäische Länder haben sie diese Option auf jeden Fall. Allerdings wurden die bisher angebotenen Maßnahmen zur Zusammenarbeit im Rahmen der Partnerschaftsabkommen von der Moldau und der Ukraine nur unzureichend ausgenutzt. Während sich die Ukraine auf eine deklarative EU-Politik beschränke, habe die Republik Moldau die vorhandenen Potenziale nicht ausgeschöpft. Laut Herdina seien die Inhalte wichtiger als der Name, die Form des Kooperationsprogramms. Deshalb verstehe er nicht, weshalb die Moldau den Abschluss eines Stabilisierungsabkommens bevorzuge, das speziell für die Länder des westlichen Balkans und die dort herrschenden Umstände geschaffen wurde.
Israel, Jordanien, Marokko, die palästinensische Verwaltung und Tunesien haben bereits Assoziationsabkommen abgeschlossen. Ab Herbst soll auch mit Ägypten, Algerien und dem Libanon verhandelt werden. Von Libyen und Syrien werden vor der Aufnahme von Konsultationen Verbesserungen erwartet.
Am 10. 02. 2004 hat die Kommission vorgeschlagen, eine einzige Budgetlinie für Projekte an beiden Seiten der Außengrenze vorzusehen. Dieses Finanzierungsinstrument für grenzüberschreitende Initiativen soll TACIS bzw. MEDA nachfolgen.
Für 12. 05. ist eine Mitteilung der Kommission zu erwarten, die ein Strategiepapier, Länderberichte, Instrumente und eine Website präsentieren wird. Im Juli sollen die verhandelten Aktionspläne dem Rat zum Beschluss vorgelegt werden.
Die Nachbarschaftspolitik wird als konzertierte Aufgabe aller EU-Institutionen einer der Schwerpunktbereiche im Jahr 2005 sein. Die Erweiterung des Programms um die Länder des südlichen Kaukasus wird diskutiert.
Das IDM wird am 29. und 30. November an der Diplomatischen Akademie eine Tagung zum Thema „Die neue Nachbarschafspolitik der EU“ durchführen, die sich insbesondere mit der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Ländern Moldau und Ukraine befassen wird.
(Gerald Roßkogler)
ZUKUNFT EUROPAS
Erstmals in der Geschichte der EU wurde einer Regierungskonferenz ein konkreter Vertragstext zu Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt. Der vom Konvent vorgeschlagene Verfassungsentwurf konnte trotz langwieriger zäher Verhandlungen beim Europäischem Rat im Dezember 2003 keinen Konsens finden. Die Regierungskonferenz wurde unterbrochen und soll nun unter irischer Präsidentschaft die Verfassungsdiskussion weiterführen.
Alexander Schallenberg, selbst als Vertreter Österreichs an den Beratungen über den Vertrag von Nizza beteiligt, sprach sich dagegen aus Polen und Spanien den „schwarzen Peter“ für das vorläufige Scheitern der Verhandlungen unterzuschieben. Auch die Haltung anderer Staaten war nicht immer konstruktiv. Positiv sei zu vermerken, dass die neuen Mitgliedsländer gleichberechtigt am Diskussionsprozess teilnehmen konnten. Schallenberg befürchtet, dass die Verfassung nicht in Kraft treten werde, wenn sie Volksabstimmungen unterzogen würde. In jedem Land gebe es einige heiße Themen, welche die Verfassungsfrage überlagern würden. So sei damit zu rechnen, dass auf die Frage über die Zustimmung zur Verfassung, eine Antwort zu einem anderen Thema (z.B. Transit) gegeben wird.
Die variable Geometrie in der EU funktioniert eigentlich recht gut, wie die Beispiele Schengen und Euro zeigen. Mit einem institutionalisierten Kerneuropa ist eher nicht zu rechnen, weil dies ein Mehr an Bürokratie mit sich brächte. Schallenberg meint, es sei kein Problem, wenn man sich nicht auf die Einführung des Prinzips der doppelten Mehrheit (Zahl der Mitgliedsstaaten und Zahl der von ihnen vertretenen Bevölkerung) für Beschlüsse des Rates einigen könnte. Auch das Modell von Nizza sei akzeptabel.
(Corina Roßkogler)
DIE EU – EIN UNIDENTIFIZIERTES POLITISCHES OBJEKT (UPO?)
Besonderem Interesse konnte sich der Vortrag von Willem Noe im Rahmen des Besuchs bei der Kommission erfreuen. Aus der Sicht des ehemaligen Beamten des niederländischen Außenministeriums kann man die EU nicht verstehen, ohne die Geschichte zu berücksichtigen.
Die europäische Integration ist vor allem eine ökonomische Integration, doch auch ein Raum des Rechts mit politischen Implikationen. Der Traum eines vereinigten Europas führt zurück zum Römischen Reich, das aber aufgrund seines militärzentrierten Handelns sicher nicht als Vorbild dienen kann. Die Idee eines gemeinsamen Europas wurde weiters von der katholischen Kirche bewahrt. Auch dieses Beispiel erwies sich als nicht optimal, vor allem vor dem Hintergrund der Reformation. Die Menschen wollten sich nicht stets den strengen Regeln unterwerfen. Die Lösung wäre, minimale gemeinsam zu beachtende Regeln durchzusetzen.
Gute Gründe für Integration
In der zweiten Hälfte des 20. Jhds. wurde die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) geschaffen, deren Gründung nicht ohne ihren historisch-politischen Hintergrund gesehen werden soll: Durch die Interdependenz und die gegenseitige Kontrolle in kriegswichtigen Bereichen wie der Kohlenförderung und der Stahlproduktion, konnten sich die verschiedenen Seiten nicht mehr insgeheim auf einen Krieg vorbereiten. Das gleiche gilt auch heutzutage, denn der EU-Beitritt gleicht einer Eheschließung: Es ist eine Bindung. Man kennt genau seine eigene Position und weiß auch, was man vom anderen zu erwarten hat. Deshalb konnte die Kriegsgefahr innerhalb der Allianz gebannt werden. Ein weiterer guter Grund für die Integration ist das „Elefantenargument“. Als Mitglied einer starken Union wächst der eigene Wert. Für die neuen EU-Staaten ist die Bedeutung der Mitgliedschaft auch wegen des moralischen Aspekts nicht zu unterschätzen. Nicht nur Stabilität, Glaubwürdigkeit und wirtschaftliche Prosperität werden gestärkt, sondern die neuen Mitglieder bekommen auch die Anerkennung als Europäer, was sie eigentlich immer waren. Diese Erweiterung ist nicht nur für die neuen Mitglieder profitabel. Auch die EU 15 können mit positiven Auswirkungen auf deren Wirtschaft rechnen.
Die Dynamik der Erweiterung kann auch zur Vertiefung der Integration beitragen, was die bisherigen Erweiterungsrunden gezeigt haben.
Erweiterung günstiger als Nichterweiterung 
Jedenfalls sollten laut Denkweise der Kommission die Kosten der Nichterweiterung eher in Betracht gezogen werden als die eher geringen Kosten der Erweiterung. Erweiterungsskeptikern kann auch entgegnet werden, dass der Beitritt eines instabilen Staates mit höherer Wahrscheinlichkeit zu dessen Stabilisierung führt als zur Destabilisierung der ganzen Union. Ängste vor einer enormen Arbeitsmigration sind unbegründet. Wegen der Sprachbarriere und bürokratischen Hindernissen wie z.B. die Nichtanerkennung von Diplomen wird es nicht dazu kommen. Außerdem hält sich jener Teil der Bevölkerung, der gewillt war, im Ausland tätig zu werden, ohnehin bereits dort auf.
(Corina Roßkogler)
SLOWAKISCHER BLICK AUF DIE EU
Durch den raschen Fortgang der Verhandlungen ab 2000 schaffte die Slowakei die Aufnahme in die erste Erweiterungswelle 2004.
Juraj Nociar, stv. Leiter der Vertretung der Slowakei bei der EU, skizzierte im Gespräch den Weg der Slowakischen Republik in die EU. Schon im ersten Jahr der Unabhängigkeit 1993 wurde ein Europaabkommen abgeschlossen, das eine Zusammenarbeit auf zahlreichen Ebenen vorsah. 1995 erfolgte der Antrag auf Mitgliedschaft bei der Europäischen Union. In erster Linie aus politischen Gründen, wegen des autoritären Kurses der Regierung unter Vladimir Meciar, wurde die Slowakei im Gegensatz zu den Nachbarn Polen, Tschechien und Ungarn nicht in die erste Runde der Beitrittsverhandlungen aufgenommen. Erst zwei Jahre später, im Jahr 2000, konnten nach innenpolitischen Veränderungen in der Slowakei die Verhandlungen gestartet werden. Es begann ein Aufholprozess, der dadurch erleichtert wurde, da man schon auf die bisher laufenden Verhandlungen mit anderen Kandidatenländern Bezug nehmen konnte. So konnten bereits 2002 alle Schwierigkeiten ausgeräumt werden. Mit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags waren die slowakischen Vertreter bereits gleichberechtigt in die Arbeit der EU einbezogen, ehe am 1. Mai 2004 der Beitritt gemeinsam mit neuen weiteren neuen Mitgliedern erfolgte.
In der Slowakei herrschte ein Grundkonsens über das Ziel der EU-Integration. Deshalb wurden beim Referendum 98% der gültigen Stimmen für den Beitritt abgegeben, bei einer Wahlbeteiligung von allerdings nur 52%.
Keine Massenmigration 
Nociar entkäftete die Befürchtung der österreichischen Seite, slowakische Arbeitnehmer könnten den Markt überschwemmen. Trotz der großen regionalen Unterschiede, etwa zwischen der wohlhabenden Hauptstadt Bratislava und den von Arbeitslosigkeit geplagten östlichen Teilen des Landes, gebe es kaum Mobilität innerhalb der Slowakei. Somit sei auch eine massive Wanderung ins westliche Nachbarland nicht wahrscheinlich.
Attraktiver Wirtschaftsstandort 
Durch attraktive Steuerpolitik ist es der Slowakei gelungen, Industriegiganten wie US Steel, KIA oder VW anzulocken. Die Einführung des Euro wird noch einige Zeit auf sich warten lassen, wird für den Zeitraum 2009/2010 angestrebt. Im landwirtschaftlichen Bereich ist die Slowakei wie die anderen neuen Mitglieder unglücklich über die unterschiedliche Behandlung im Vergleich zu den EU 15 bei der Ausschüttung der Direktförderung.
Lage der Minderheiten 
Die Probleme mit der ungarischen Minderheit sind laut Nociar ausgeräumt. Ihre Partei ist sogar in der Regierung vertreten.
Mit den Roma gestaltet sich die Lage schwierig, machen sie doch ca. 10% der Bevölkerung aus. Arbeitslosigkeit ist der Regelfall. Es gibt zwar viele Projekte von staatlicher Seite, diese haben aber bisher wenig bewirkt. Nociar befürchtet, die erfolgreiche Integration werden noch Generationen auf sich warten lassen.
Keine regionale Partnerschaft
In der von Österreich angeregten regionalen Partnerschaft, sieht die Slowakei keine geeignete Plattform für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit. In vielen Sachfragen gebe es mit Österreich Übereinstimmung, doch eine regionale Gruppe unter der Führung Wiens sei nicht erstrebenswert.
(Gerald Roßkogler)

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