Rechtsstaatlichkeit als wichtiger Investitionsfaktor

Die COVID-19-Krise stürzte viele Unternehmen in unsichere Gewässer. Am Beispiel der Slowakei erklärt die Ökonomin Doris Hanzl-Weiss, wie rechtliche Unsicherheit das Wirtschaftsumfeld belasten kann.

Die Slowakei ist eine kleine offene Volkswirtschaft und stark vom Außenhandel abhängig. Die Automobil-Industrie ist für rund 32% der Gesamtexporte verantwortlich und gilt damit als zentraler Exporteur des Landes. Sie stützt sich auf vier große ausländische Fahrzeughersteller im Land, darunter VW Bratislava, PSA Peugeot Citroën in Trnava, KIA Motors Slovakia in Žilina und Jaguar Land Rover in Nitra. Stabile wirtschaftliche insbesondere rechtliche Rahmenbedingungen waren und sind wichtige Faktoren für ausländische Investoren. Wie sich ausländische Direktinvestitionen in der Slowakei entwickelt haben und welche Rolle das wirtschaftlichere Umfeld dabei hatte soll hier näher erläutert werden.

Intransparenz unter Mečiar

Die erste Zeit nach Gründung der Slowakei 1993 und dem Zerfall des kommunistischen Systems war gekennzeichnet durch geringe Zuflüsse an ausländische Direktinvestitionen (ADI). Grund dafür war das autoritäre Regime unter Vladimír Mečiar, das zu internationaler Isolation, undurchsichtiger Privatisierung und Klientelismus und in Folge davon zur Abschreckung von ausländischen Investoren führte. Erst 1998 mit der neuen Regierung unter Mikuláš Dzurinda (I und II) und den damit einhergehenden tiefgreifenden Reformen konnte eine Wende erzielt werden. Zwischen 2000 und 2008 betrug der durchschnittliche jährliche ADI-Zuwachs 7,7 % des Bruttoinlandproduktes (BIP), viel höher als in den Nachbarländern Tschechien (5,9%), Ungarn (4,7%) oder Polen (3,6%).

EU-Beitritt förderte Investitionen

Entscheidende Faktoren für den Zufluss waren einerseits die Privatisierungen am Beginn der 2000er Jahre im Bereich Telekommunikation und im Energie- und Finanzsektor. Andererseits wirkte der EU-Beitritt 2004 als Katalysator für neue Investitionen. Besonders wichtige Greenfield-Investitionen, also etwa Neuerrichtungen von Produktionsstätten auf einem neuen oder noch jungen Markt, fanden im Bereich der Automobilindustrie statt. Nach der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise fiel die Slowakei bei den ADI-Zuflüssen jedoch hinter den Nachbarn zurück: Zwischen 2010 und 2018 konnte sie nur durchschnittlich 1,6% des BIP an ADI-Zuflüssen lukrieren, die anderen Länder zwischen 2,4 % (Polen) und 3 % (Tschechien und Ungarn).

Niedrige Rechtsdurchsetzung als Barriere

Um attraktiv für ausländische Direktinvestitionen zu sein, muss das wirtschaftliche Umfeld konkurrenzfähig und günstig sein. Dieses wird jedoch für die Slowakei Jahr für Jahr schlechter eingestuft. Beispielsweise fiel die Slowakei im Global Competitiveness Index des World Economic Forums 2019 um eine Position zurück und rangiert aktuell auf Platz 42 (von insgesamt 141 Plätzen). Zum Vergleich: Tschechien lag auf Platz 32, Polen auf Platz 37 und Ungarn auf Platz 47. Zwar ist der Business Environment Index des slowakischen Unternehmensverbandes (Business Association of Slovakia – PAS) langfristig angestiegen, seit 2006 befindet er sich allerdings kontinuierlich im Sinkflug. Die EU-Kommission sieht hohe regulatorische Belastungen, niedrige Rechtsdurchsetzung, anhaltende Bedenken zur Unabhängigkeit der Justiz und Polizei, häufige Gesetzesänderungen und Rechtsunsicherheit als Faktoren, die die Wettbewerbsfähigkeit behindern. Eine Umfrage unter ausländischen Investoren in der Slowakei 2019 zeigte, dass die Rechtssicherheit, die Verfügbarkeit von Fachkräften sowie steigende Lohnkosten, die Transparenz der öffentlichen Auftragsvergabe und die Bekämpfung der Korruption zu den am schlechtesten bewerteten Standortbedingungen derzeit zählen.

Reformen in Sicht?

Die COVID-19 Krise hat die Unsicherheit für Unternehmen – nicht nur in der Slowakei – in den ersten Monaten 2020 weiter verstärkt. Es mussten fast täglich neue Vorgaben, Reglungen oder Gesetzesänderungen verfolgt werden. Vorgaben für Hilfsmaßnahmen wurden als kompliziert und intransparent angesehen, z.B. welche Unternehmen anspruchsberechtigt sind und welche Bedingungen erfüllt werden müssen, um Hilfsmaßnahmen zu bekommen. Aus Angst vor Strafen haben viele nicht um Hilfe angesucht.

Langfristig gesehen könnten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unter der neuen konservativen Regierung unter Igor Matovič verbessern. Er hat mit seinem Anti-KorruptionsWahlkampf die letzten Parlamentswahlen im März 2020 gegen die lang amtierende Partei Smer gewonnen. Auf der Agenda der neuen Justizministerin Mária Kolíková steht eine Reform der Justiz. Um die Unvorhersehbarkeit des Gesetzgebungsprozesses zu verbessern, möchte sie indirekte Gesetzesänderungen stoppen, einzelne Gesetze, die miteinander verbunden sind, im Paket und zu einem gemeinsamen Zeitpunkt einführen, sowie das übliche Gesetzgebungsverfahren stärken und respektieren. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die neue Regierung ihre Versprechungen einhalten kann. Wenn es ihr gelingt, das wirtschaftliche Umfeld zu verbessern, wird die Slowakei wieder für Investitionen attraktiver werden.

Alle ADI-Daten basieren auf der wiiw FDI Database: data.wiiw.ac.at

The Slovak Spectator: spectator.sme.sk

European Commission (2020), Country Report Slovakia 2020: ec.europa.eu/info/publications

 

Doris HanzlWeiss ist Ökonomin am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Sie ist Länderexpertin für die Slowakei und befasst sich mit Themen des Strukturwandels und Sektoranalysen. Hanzl-Weiss hat Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien studiert und arbeitete an verschiedensten Projekten für internationale Institutionen (z. B. UNIDO, Europäische Kommission vDG Grow, etc.).