Life along the Danube

Die Online-Ausstellung der siegreichen Fotografien des Wettbewerbs der VHS Landstraße und des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) in Kooperation mit der Wiener Fotoschule und dem OeAD-Kooperationsbüro Lemberg.

Kurator*innen: Mario Lackner (VHS) und Malwina Talik (IDM)

– das Leben entlang meiner Ufer, das Leben in und über mir. Dieses Treiben haben schon viele bezeugt, miterlebt, dokumentiert und in den letzten über hundert Jahren auch fotografiert.  

Jede Stromschnelle, jede Flusswindung und jeder Zulauf erzählt seine Geschichte. Ein Dutzend Menschen teilen in dieser Ausstellung jeweils eine von Millionen dieser Geschichten, die Teil meiner Geschichte geworden sind. Mit jeder der Tafeln mit insgesamt 24 Lichtbildern aus allen zehn Anrainerstaaten wird ein Mosaikstein meiner mannigfaltigen Seele sichtbar. 

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, meinte einst der deutsche Dichter Hermann Hesse und in deutschen Landen liegt auch mein Ursprung, meine Quellen, mein zauberhaftes Geheimnis verborgen. Die Menschen halten nicht viel von Geheimnissen und plaudern sie aus, ja haben in meinem Falle sogar an Steinen Tafeln angebracht, um aller Welt kundzutun: „Hier entspringt der Hauptquellfluß der Donau“ – 

Ivan Kajgana fotografierte die Bergquelle“ im Schwarzwald an der europäischen Wasserscheide nahe Furtwangen in Baden-Württemberg, Deutschland. 

BREGQUELLE (IVAN KAJGANA)

Doch nicht nur an meinen Ufern sprießt das Leben!  

Fruchtbare Landstriche sind es, die durch mich als Lebensader aufblühen wie diese Sonnenblumen im Marchfeld (Babette Keindl) oder erst den Menschen die Kraft verleihen in so stürmischen Zeiten wie diesen auch in Wien an den Wolken zu kratzen (Matthaeus A. Schmid). 

SONNENBLUMEN IM MARCHFELD (BABETTE KEINDL)


Donauinsel, Wien, (Matthaeus A. Schmid)

WOLKENKRATZER IN WIEN (MATTHAEUS A. SCHMID)

Auch an meinen Zuflüssen wie der Thaya im österreichisch-tschechischen Grenzland hat sich eine Artenvielfalt entwickelt, die von Libellen bis Menschenkindern reicht (beides fotografiert von Indigo) und auch jenseits der Grenze in der Slowakei pulsiert das Leben in Stadt und Land (Pressburg bei Nacht und Naherholungsgebiet in der Nähe, beides fotografiert von Martin Krenčey). 

LIBELLEN IM ÖSTERREICHISCH-TSCHECHISCHEN GRENZLAND (INDIGO)


MENSCHENKINDER IM ÖSTERREICHISCH-TSCHECHISCHEN GRENZLAND (INDIGO)


NAHERHOLUNGSGEBIET NAHE PRESSBURG (MARTIN KRENČEY)


BRATISLAVA BEI NACHT (MARTIN KRENČEY)

Wie schwer es mir fällt mich zu entscheiden, ob ich die ländliche Idylle mehr schätze oder das urbane Wummern in meinen Metropolen Wien, Budapest und Belgrad.  

Kurz vor Ungarns Hauptstadt schieße ich jedenfalls pfeilgrad nach Süden und staune über die Schönheit Budapests (Bruno Galla), wie sie auch im architektonischen Talent Samuel Petz‘, eines Schülers Theophil Hansens, sichtbar wird, der 1897 eine Markthalle (Ivan Kajgana) mit über hundert Ständen auf drei Etagen ersonnen hat, zu der einst ein Kanal von meinem Ufer wegging, um den Warentransport zu erleichtern. 

SCHÖNHEIT BUDAPEST (BRUNO GALLA)


SAMUEL PETZ‘ MARKTHALLE (IVAN KAJGANA)

Wer könnte glauben, wenn er*sie sich an diesem Sonnenuntergang (Fabian Kümmeler) ergötzt, dass sich unweit von Apatin an der serbisch-kroatischen Grenze vor gar nicht allzu langer Zeit grausame Gewalt in all ihren Schattierungen manifestiert hat? Ob Jugoslawienkrieg, ob Weltkriege oder die vielen Schlachten davor – liegt uns nicht allen so eine Abenddämmerung näher als der Gedanke, wo hier Kroatien endet und Serbien beginnt? 

SONNENUNTERGANG NAHE APATIN (FABIAN KÜMMELER)

Erfreut unser Herz das alltägliche, geschäftige Treiben einer Kleinstadt wie Semlin (Ivan Kajgana) nicht mehr als zu klären, ob dort eine Grenze verläuft und wenn ja, welche?  

TREIBEN IN SEMLIN (IVAN KAJGANA)

Selbiges gilt für diese Marktszenerie (Ivan Kajgana), denn ja, es liegt weiter donauabwärts in Bulgarien, doch schon am anderen Ufer liegt Rumänien… 

EINE MARKTSZENERIE (IVAN KAJGANA)

Wo beginnt dort und wo endet hier? Das ist auch die Frage, die Smaranda Șchiopus Lichtbild stellt, das in Tutrakan (Bulgarien) entstand.  

ZWISCHEN DORT UND HIER IN TUTRAKAN (SMARANDA ȘCHIOPUS)

Gegenüber sieht man bereits Oltenița in Rumänien, wohin einst eine Fähre ging, doch die Infrastruktur wird mit jedem Sandkorn, das durch die Sanduhr des Systems rieselt, das sich seinem Ende zubewegt, schwächer. Was bleibt sind Flora und Fauna wie die Vielfalt an Vögeln (Tobias Weger), wie sie mir in meinem Sulina-Flussarm Seelenfrieden schenkt. 

VIELFALT AN VÖGELN IN OLTENIȚA (TOBIAS WEGER)

Aber auch eine Bootsfahrt wie diese etwas oberhalb des Eisernen Tors nahe Orschowa erfreut mein Herz, da sie poetische Wortspuren in meinen Wellen (Christopher Radovici), Übersetzung: Mario Lackner) nach sich zieht: 

»Ein Fluss von Prismen, 

Unsere historische Verzweigung, die das Herz Europas durchdringt, 

Während sie sich wieder mit den wärmsten Blautönen verbinden, 

Innerhalb und außerhalb von uns!« 

Bootsfahrten dienen aber nicht nur der kreativen Inspiration.  

EINE BOOTSFAHRT OBERHALB DES EISERNEN TORS ((CHRISTOPHER RADOVICI)

Sie sind wie beispielsweise in und um die Stadt Tultscha herum in meinem Delta richtiggehende Wasserstraßen, in den sich Bootsfahrtgemeinschaften (Marion Müller) bilden, um von A nach B zu gelangen. 

BOOTSFAHRTGEMEINSCHAFTEN (MARION MÜLLER)

Zwischen A und B, Europa und „an der Grenze“ (zu Russland), was ‚Ukraine‘ wortwörtlich heißt, da liegt ein Land, das nach einem Fluss benannt ist, der dort nicht einmal fließt. Die Republik Moldau wird umgangssprachlich von vielen Moldawien, in der Schweiz gern auch im rumänischen Original Moldova genannt, mit der mich ganze 450 Meter Beziehung verbinden, wo sich mein fast 1.000 Kilometer langer Nebenfluss Pruth mit mir vereint.  

Einen Hafen nahe der Pruthmündung (Ivan Kajgana) haben die Menschen hier angelegt und an der Grenze zur Ukraine stehen auf einem Industriegelände Öltanks (Ivan Kajgana) – Zeugen der Abhängigkeit dieser Zivilisation von Fossilien in grauen Vorzeiten und Diktaturen, die Menschenrechte wohl niemals lernen zu buchstabieren, so lange die Demokratien ihnen Gas, Öl und Plastikplunder abkaufen… 

DER HAFEN NAHE DER PRUTHMÜNDUNG (IVAN KAJGANA)


ÖLTANKS AUF EINEM INDUSTRIEGELÄNDE AN DER GRENZE ZUR UKRAINE (IVAN KAJGANA)

Von alldem ahnt in den Kanälen und verzweigten Armen des nördlichen Donaudeltas nichts und niemand. Weder dieses freundliche Fischer:innenpaar (Ivan Kajgana), noch die verträumten Seen, Seitenarme und menschenleeren Wasserwege ringsum. 

DAS  FREUNDLICHE FISCHER:INNENPAAR (IVAN KAJGANA),

Apropos Wasser: Das wird hier auch mal in einem Tankwagen geliefert und wie alle anderen Einkäufe nachhause getragen (Susanne Beschaner).

DIE WASSERTRÄGERINNEN (SUSANNE BESCHANER)


DIE WASSERTRÄGERINNEN II (SUSANNE BESCHANER)


TANKWAGEN (SUSANNE BESCHANER)

Mein Wasser begegnet aber auch jeder Seele am Strand von Sulina (Marion Müller), den viele eher in der Karibik verorten würden als hier, wo einer meiner Arme ins Schwarze Meer mündet, zwischen Krieg um Odessa und Touristentreiben in Konstanza… 

AM STRAND VON SULINA (MARION MÜLLER)

 …wo meine Reise am Kilometer 0 (Susanne Beschaner) endet, aber nur eine neue Reise beginnt, wo Süß- zu Salzwasser wird, das Meer meine DNA aufnimmt und all den Weltenschmerz in Gischt und Gezeiten aufgehen lässt. 

KILOMETER 0 (SUSANNE BESCHANER)

Texte: Mario Lackner (VHS)

Textkonzept: Malwina Talik (IDM) und Mario Lackner (VHS)

Übersetzung ins Englische: Fiona Faas und Jack Gill (IDM)