Der zweite Fluss europäischer Integration
Über das Leben und Engagement von Erhard Busek (1941–2022) könnte man laut IDM-Geschäftsführer SEBASTIAN SCHÄFFER eine ganze Ausgabe füllen. Sein Beitrag soll aber kein weiterer Nachruf werden. Vielmehr würdigt der Politikwissenschaftler Buseks Vision für Europa und den Donauraum.
Erhard Busek nannte die Donau den zweiten Fluss europäischer Integration. Nach der deutsch-französischen Aussöhnung entlang des Rheins sollte die Donau Schauplatz für das friedliche Zusammenleben der Menschen entlang des Stroms werden. Fast 27 Jahre lang hatte er als Vorsitzender des IDM versucht, dies zu verwirklichen. Er hatte früher als viele erkannt, dass die Region in Bewegung ist. Noch bevor an der Moskwa der Wind der Veränderung pfiff, hatte er Kontakte zu DissidentInnen geknüpft und österreichische LektorInnen und WissenschaftlerInnen an die Universitäten flussabwärts geschickt.
Von Mauern, Vorhängen und Zäunen
Wenn wir von den Ereignissen Ende der 1980er Jahre sprechen, ist oft von Mauern, Vorhängen und Zäunen die Rede. Auch im »neuen Kalten Krieg« wird wieder darüber gesprochen. Nur dass der Krieg weder neu, noch kalt ist. Bevor die Donau zum zweiten Fluss europäischer Integration werden kann, müssten also viele Schritte der Aussöhnung gesetzt werden. Sowohl am westlichen Balkan, als auch im Donaudelta schüren Staaten alte Ressentiments anstatt sie zu überwinden. Und dies hat auch den Aufbau von Grenzen zur Folge. In den Jahren nach der Wende sind mehr als 10.000 Kilometer neue Grenzen entstanden, die meisten davon auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Und während Wladimir Putin schon seit Jahren versucht, diese gewaltsam zu verschieben, wollen andere Länder die Integration in die Europäische Union – mit dem Ziel, Grenzen abzubauen. Als Voraussetzung für den Abbau der Binnengrenzen ist aber ein effektiver Schutz der Außengrenzen notwendig. Und das kann bedauerliche Folgen haben: Der Fluss Una, zum Beispiel, trennt die Stadt Kostajnica in zwei Teile – einen bosnischen und einen kroatischen (dazu Info Europa 2/2017). Tritt Kroatien mit 1. Jänner 2023 dem Schengenabkommen bei, wird die Una zur Außengrenze und somit ein Austausch zwischen beiden Stadtteilen erschwert. Und zwar so lange bis Bosnien und Herzegovina ebenso Mitglied wird.
So paradox es also klingt, aber primär werden Grenzen in der EU nicht abgebaut, sondern nur verschoben. Solange bis eben all jene Mitglieder geworden sind, die möchten. Bis dahin schafft europäische Integration eben auch Ausgrenzung auf dem Kontinent. Dagegen hat Erhard Busek sein Leben lang – auch unkonventionell – gekämpft. Gemeinsam verfassten wir 2021 eine »Kampfschrift« zur sofortigen Aufnahme aller Westbalkanstaaten. Sie enthält hauptsächlich »G’schichtln«, die er selbst für ein Hörbuch einsprach. Er war immer offen dafür, Neues auszuprobieren. Hauptsache es ging vorwärts. Uns verband die Ungeduld, wenn wir etwas nicht schnell genug voranbringen konnten.
Zeitenwende
Ich habe Erhard zum ersten Mal 2012 an einem Fluss getroffen, allerdings nicht die Donau, sondern die Drava (Drau). Wir saßen zum Abendessen an der Uferpromenade in Maribor. Ich war dort, um einen Vortrag zu halten. Er blätterte im Programm, las meinen Vortragstitel und stellte mir Fragen dazu. Mich hat seine Neugierde nachhaltig beeindruckt. Egal wer ihm gegenüber saß, er fand es lohnenswert mehr zu erfahren und Geschichten über die Region zu hören, die er dann weitererzählen konnte. Von kaum einem anderen Menschen habe ich mehr gelernt. Das nächste Treffen erfolgte zufällig beim Mittagessen 2014 in Berlin. Die damalige »Krim-Krise« steuerte auf ihren Höhepunkt zu. Erhard meinte, dass ihn die Argumentation des Kremls, wonach Russland für den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung verantwortlich sei, an die 1930er Jahre in Deutschland erinnere. Ich fand den Vergleich schwierig, traute mich aber nicht ihm zu widersprechen. Heute wissen wir, dass er schon damals erkannt hatte, wohin die Entwicklungen führen könnten. Am 24. Februar 2022 waren wir uns sofort einig: Das ist nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine, der Angriff richtet sich gegen alle, die liberale Demokratie, Freiheit und Frieden für Werte halten, die es zu verteidigen gilt. Spätestens bei Putins Ansprache nach den Scheinreferenden im Oktober und nach der temporären Annexion der besetzten ukrainischen Oblaste Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk, zeigte sich: Die Ukraine kämpft nicht nur um das eigene Überleben, sondern auch für unsere gemeinsame europäische Zukunft. So konzertierte sich auch Putin in Reden nun weniger auf die vermeintliche Entnazifizierung, sondern kritisierte die Verkommenheit der westlichen Welt.
Taten statt Gesten
Und was machen wir? Große Gesten sind nicht ausreichend, es müssen auch mutige Taten folgen. Für die EU-Mitgliedstaaten bedeutet das, dass sie bei der Frage der Erweiterung mit Beitrittskandidaten ehrlicher umgehen müssen. Für die (potentiellen) Kandidaten heißt das, dass sie auch ernsthafte Schritte in Richtung eines Beitritts machen müssen, anstatt diese nur vorzutäuschen. Die Ausweitung der Kompetenzbereiche auf die supranationale Ebene (Vertiefung) muss endlich wieder Hand-in-Hand mit der Erweiterung gehen, so wie es zuletzt 2004 der Fall war. Am Beginn der europäischen Integration stand die wirtschaftliche Zusammenarbeit im Vordergrund. In den überwiegenden Fällen von Beitritten ging es aber primär um die Stabilisierung junger Demokratien. Demokratische Entwicklungen sind aber niemals linear und schon gar nicht unumkehrbar, weshalb wir auf EU-Ebene institutionalisierte Sicherheitsmechanismen brauchen. Das gelingt allerdings nur mit einer Änderung des Vertrags von Lissabon. Ebenso müssen Länder, die nicht EU-Mitglied werden wollen, ein Angebot zur Zusammenarbeit erhalten. Sei es zur Teilnahme am Binnenmarkt, an Schengen, an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, dem Euro oder durch gemeinsame Anstrengungen gegen die Klimakatastrophe. All das ist auch ohne vollständige Integration möglich und wird bereits praktiziert. Es fehlt nur eine Institutionalisierung, etwa in einem erweiterten Europäischen Rat.
Wir sollten keine Furcht vor tiefgreifenden Veränderungen haben. Denn nur so kann die Donau tatsächlich zum zweiten Fluss europäischer Integration werden. Vielleicht folgen darauf der Bosporus, die Wolga und irgendwann wieder die Themse. Bis dahin dürfte aber durchaus noch einiges Wasser vom Schwarzwald ins Schwarze Meer fließen.
Autor: Sebastian Schäffer
Where the river flows, science follows
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Living Danube Limes
Projektziel:
Living Danube Limes is an EU funded Interreg Danube Transnational Programme project and focuses on connecting, enlivening, researching, preserving and highlighting the Roman Danube Limes as transnational cultural heritage of enormous significance, in order to create a sound foundation for a future European Cultural Route. Living Danube Limes stands for:
Valorising cultural heritage and fostering sustainable tourism by LIVING the common heritage on the DANUBE LIMES as basis for a cultural route.
Project objectives:
• Main objective of the project is the connection of the Danube region through its common Roman heritage. The project seeks to support its preservation through the creation of consciousness for the value of common heritage, while respecting local differences, particularities, and creating sensibility, that the Roman Danube Limes was not just a border fortification network, but also a vast trading zone with a lot of mobility.
• The project supports the UNESCO World Heritage nomination of the entire Danube Limes, specially focusing on the nomination process for Croatia, Serbia, Romania and Bulgaria.
• Another main objective of the project is laying the foundations for a future European Cultural Route traversing the entire Danube Region.
• The fostering of sustainable and eco-friendly tourism through tourism strategies specifically created for the Danube Limes region is another prime objective of Living Danube Limes. Outputs of the project:
• A Roman Danube ship of the 4th century AD will be reconstructed, using Roman tool replicas, over the course of the project and will cruise down the entire Danube in 2022, with an international living-history crew on board, in order to highlight the connecting character of the Roman Danube Limes. After the end of the project, the ship will be at the disposal of each project pilot-site for one year, in order to serve as attraction and motivation for further investment into the pilot-site.
• Through the application of modern non-invasive archaeological geo-prospection at chosen pilot-sites, various research gaps will be closed.
• A Living Danube Limes app will be created in order to host a comprehensive and easy to access archaeological and historic catalogue of the Danube region, which will merge data from predecessor initiatives with new data gained through the research activities carried out in Living Danube Limes.
• Virtual und augmented reality reconstructions of original Roman Limes infrastructure will be created from the data of the geophysical prospections at the project pilot-sites and will then be hosted on the Living Danube Limes app.
• The establishment of a transnational museum cluster will further the common presentation of Roman heritage in the Danube Region, in order to create better visibility and understanding of the vastness and importance of this connecting historic landscape. Reaching out to the people – making the common Roman past tangible:
• The project will establish eight national pilot-sites with regular public activities such as living-history events and workshops on historic crafting methods.
• Physical reconstructions at the pilot-sites will complement the virtual reality reconstructions and invite more interest and should lead to follow-up projects and investment at the site.
• Workshops for the dissemination of historic crafting techniques will be organised and documented.
• A living-history cruise from Germany to the Black Sea, with international living-history groups steering the reconstructed Roman ship of the 4th century AD, will be organised at the end of the project. The ship and its crew will be halting at each pilot-site in order to participate in a living-history festival there, which will further allow for a large array of interactions with the public.
The Institute for the Danube Region and Central Europe is Associated Strategic Partner of the project
Duration: 01.06.2020 – 30.11.2022
Funding: EU
Principle investigator for the project (Danube University Krems): Mag. Dr. Anna Maria Kaiser
More information can be found on the website of Danube University Krems
- Projektzeitraum: 2019-2022
- Projektleitung: Mag. Dr. Anna Maria Kaiser (Danube University Krems)