Kryptowährungen außer Kontrolle

Montenegro hat eine lange Geschichte des Zigaretten-, Waffen- und Drogenschmuggels. Mittlerweile werden auch Kryptowährungen für illegale Aktivitäten genutzt. SAŠA ĐORĐEVIĆ und ANESA AGOVIĆ erklären, wie fehlende Regulierungen dem organisierten Verbrechen neue Türen öffnen 

Montenegro galt jahrzehntelang als kriminelle Drehscheibe für diverse illegale Aktivitäten unter mafiaähnlichen Strukturen. Im Global Organized Crime Index 2023 landet das Land nach wie vor auf der fünften Stelle der europäischen Länder mit der höchsten Rate an organisierter Kriminalität und an zweiter Stelle in den westlichen Balkanländern. 

Seit 2021 bekommt Montenegro auch die Aufmerksamkeit von Investor*innen in Kryptowährung und darunter auch jene, die diese digitalen Vermögenswerte missbrauchen wollen. Das veränderte die kriminelle „Unterwelt“ im Land. Einer der bekanntesten Akteure in ihr ist Do Kwon, ein südkoreanischer Staatsbürger, dem die USA und Südkorea wegen eines angeblichen milliardenschweren Betrugs am Kryptowährungsmarkt und Verstößen gegen Kapitalmarktgesetze den Prozess machen wollen. Die montenegrinischen Justizbehörden entscheiden derzeit über seine Auslieferung. 

Parallel zu Kriminalfällen wie diesen unternimmt Montenegro Schritte, um sich als Krypto-Oase zu positionieren. Für Investor*innen in Kryptowährungen sollen günstige Steuern angeboten und Hürden abgebaut werden – so wie es bereits in Belarus, Bermuda, den Britischen Jungferninseln und den Kaimaninseln, El Salvador und Georgien üblich ist. Der Versuch dieser neuen Ausrichtung fiel mit dem Aufstieg des derzeitigen Premierministers Milojko Spajić zusammen, der von der Wirtschaft in die Politik wechselte.   

Im April 2022 gewährte Montenegro Vitalik Buterin, einem Mitbegründer von Ethereum, die Staatsbürgerschaft und signalisierte damit Offenheit für Krypto-Innovator*innen. Ethereum ist die zweitbeliebteste Kryptowährung nach Bitcoin. Im Vergleich zur Konkurrenz erlaubt sie Nutzer*innen auch Smart Contracts (kodierte Blockchain-Verträge) und Transaktionen zu entwickeln und durchzuführen. Die Ausrichtung einer bedeutenden Krypto-Konferenz im Mai 2023 und die Aufnahme von Gesprächen mit dem US-Krypto-Unternehmen Ripple über die mögliche Einrichtung einer digitalen Zentralbankwährung oder eines nationalen Stablecoin (eine montenegrinische Kryptowährung, die einen stabilen Wert behalten soll) im Juli 2023 haben das wachsende Engagement Montenegros und gleichzeitig das Interesse für Krypto-Unternehmen erhöht. 

Fehlende Gesetze als Einladung zur Geldwäsche 

Nicht alle sehen diese Entwicklungen positiv. Der Länderbericht der Europäischen Kommission 2023 äußert Bedenken hinsichtlich des unregulierten Status des Kryptowährungsmarktes. Die EU selbst verlangt von Kryptowährungsdiensten, dass sie die illegale Verwendung dieser aufdecken und verhindern. Darüber hinaus äußerte sich Montenegros Präsident Jakov Milatović kritisch gegenüber dem Vorstoß von Premierminister Milojko Spajić, Montenegro zu einer Krypto-Oase zu machen. 

Kryptowährungen sind in Montenegro nicht illegal wie in China, Tunesien oder Ägypten. Obwohl sie offiziell nicht als gültige Zahlungsmethode anerkannt sind, ist ihr Besitz und ihre Verwendung nicht verboten. Doch genau diese fehlenden Regulierungen bergen ernsthafte und vielfältige Risiken. Zum Beispiel ermöglicht es Geldwäscher*innen, unrechtmäßig erworbene Gewinne digital zu verbreiten, indem sie sich hinter Pseudonymen verstecken.  

Neben dem Fall Do Kwon wurde im Juni 2023 ein illegaler Kryptomat an der Küste Montenegros gefunden. Dieser Automat ermöglichte die Umwandlung von digitalen Währungen in Bargeld oder andere Kryptowährungen. Er wurde mit dem vorbestraften Briten George Cottrell in Verbindung gebracht, der unter Beobachtung der US-Behörden steht. Ein weiterer illegaler Kryptomat tauchte in der Hauptstadt Podgorica auf. 

Auch am Immobilienmarkt spielt Krypto eine Rolle. So gab eine montenegrinische Agentur bekannt, dass ihre Makler*innen eine Immobilie im Wert von 6 Millionen Euro – bezahlt in Kryptowährung –verkauft hätten. Derlei Geschäfte stammen in erster Linie von Käufer*innen außerhalb Montenegros, etwa aus Russland, der Ukraine, Zypern, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Israel und den USA.   

Auf Krypto bauen 

Die montenegrinischen Behörden schaffen nur langsam Fortschritte, um mit Krypto einhergehende Risiken einzudämmen. Im Juli 2021 richtete das Finanzministerium zwei Abteilungen ein, die sich mit Blockchain und Kryptowährungen befassen. Darüber hinaus bietet die Zentralbank Informationen über neue Finanztechnologien, um Privatbanken zu unterstützen. Bemühungen zur Regulierung der Blockchain-Technologie wurden Anfang 2022 von Spajić, damals noch Finanzminister, eingeleitet. Die instabile politische Lage verhinderte jedoch bislang das Einführen konkreter Rechtsvorschriften. 

Dieses Rechtsvakuum eröffnet neue Möglichkeiten im Bereich der illegalen Finanzströme, darunter der Geldwäsche. So können beispielsweise Gewinne aus dem Drogengeschäft, die außerhalb Montenegros erwirtschaftet werden, durch den Bau und Kauf von Immobilien ins Land gelangen. Die Regierung erklärte Immobilien in ihrer nationalen Risikobewertung offiziell als Hochrisikosektor für Geldwäsche.  

Die Möglichkeiten zur Geldwäsche mit Kryptowährungen sind vielfältig. So arbeiten beispielsweise Krypto-Händler mit Minern zusammen. Mining ist das Bereitstellen von Rechenleistung, um Transaktionen zu verarbeiten und zu verifizieren – dies wird den Minern für gewöhnlich ebenso in Kryptowährung entlohnt.  Wenn Miner eine überhöhte Rechnung erstellen, die Händler mit Bitcoin oder einer anderen digitalen Währung bezahlen, können illegale Gelder durch gefälschte Papiere in legitim aussehende Einkünfte umgewandelt werden.  

Eine andere Taktik ist die Verwendung von Mixern, die auch als Tumbler bezeichnet werden. Dabei werden Gelder, die durch kriminelle Aktivitäten erlangt wurden, durch zahlreiche Transaktionen in verschiedenen Krypto-Wallets in mehrere Kryptowährungen umgewandelt. Dieser Prozess findet häufig auf Handelsplätzen statt, die in Ländern mit laxer Feststellung der Kund*innenidentität und schwachen Geldwäschegesetzen betrieben werden, oder auf Handelsplätzen, deren Standorte nicht bekannt sind. 

Kryptoboom unter Auflagen 

Auch bei der wirksamen Bekämpfung illegaler Finanzströme steht Montenegro seit Jahren vor erheblichen Hürden, worauf auch die Europäische Kommission hinwies. Obwohl zwischen 2016 und 2022 insgesamt 80 Finanzermittlungen eingeleitet wurden, konnten nur zwei erfolgreich abgeschlossen werden. In den meisten Fällen werden die Finanzermittlungen aufgrund ihrer Komplexität erst nach den strafrechtlichen Ermittlungen gestartet, was es schwierig macht, die illegalen Finanzströme aufzuspüren und zu beschlagnahmen. Die Zahl der Geldwäschefälle vor Gericht steigt, doch die Zahl der daraus resultierenden Urteile bleibt bemerkenswert niedrig. In den Jahren 2021 und 2022 wurden nur zwei Urteile gegen drei Personen gefällt, und das auch nur aufgrund von Geständnissen gegen mildere Strafen. 

Trotz des Fehlens aktueller Vorschriften behauptet die Zentralbank, dass Kryptowährungen keine unmittelbare Bedrohung für das lokale Bankensystem darstellen. Diese Haltung ist jedoch keine Garantie für die zukünftige Stabilität. In Anbetracht der Geschichte Montenegros mit Zigaretten- und Drogenschmuggel sowie der weit verbreiteten Korruption auf hoher Ebene ist es notwendig, robuste Regulierungsmaßnahmen zu ergreifen. Das Land sollte die 2023 verabschiedeten EU-Vorschriften für Kryptomärkte und Geldtransfer vorbereiten sowie den europäischen Pass für Kryptowährungsdienstleister einführen. Denn wenn Montenegro wirklich anstrebt, eine Krypto-Oase zu werden, muss es ein maßgeschneidertes Regulierungssystem entwickeln und seine Kompetenz im Bereich der Finanzermittlung und -untersuchung verbessern.  

 

Saša Đorđević ist Senior Analyst bei der Global Initiative Against Transnational Organized Crime und Doktorand an der Fakultät für Strafjustiz und Sicherheit in Slowenien. 

Anesa Agović ist Journalistin und Forscherin. Seit 2020 ist sie Feldkoordinatorin für Bosnien und Herzegowina bei der Global Initiative Against Transnational Organized Crime.   

Die Zukunft ist noch nicht vorbei!

Arbeitslosigkeit, Ausgeschlossenheit, multiple Krisen: Die Jugend in den ex-jugoslawischen Ländern scheint perspektivlos. PIA BREZAVŠČEK zeigt, wie Künstler*innen mit Blick in die Vergangenheit die Zukunft zurückerobern.

Womöglich sind Sie mit dem Futurismus bekannt. Die in Italien begründete Kunstströmung verbreitete sich Anfang des 20. Jahrhunderts zuerst in Europa und schließlich auch über den Kontinent hinaus. Doch haben Sie auch vom Jugofuturismus (Yugofuturism, YUFU) gehört? Im kommenden versuche ich, Ihnen die künstlerisch unausgeschöpften Potenziale dieses Konzepts zu erläutern, das auch unserer Jubiläumsausgabe der Zeitschrift Maska ihren Namen schenkte. 

Maska ist ein über 200 Jahre altes Institut für Verlagswesen und Performancekunst in Slowenien. Nach der 22-jährigen Leitung durch den Künstler Janez Janša* traten wir als neues Team seine Nachfolge an. Wir gehören zu einer Generation, die Jugoslawien nie bewusst miterlebte. Dennoch haben wir Erfahrungen zweiter Hand: die noch existierende Infrastruktur und Architektur, die Geschichten unserer Eltern und Großeltern. Sie wuchsen in einem multiethnisch und sozialistisch geprägten Umfeld auf, in dem die Menschen größtenteils glaubten, eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Wir hingegen sollten globalisierte Kinder einer neugeborenen Republik Slowenien werden. Im Gegensatz zu anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens war unser Abschied vom alten Staat nicht allzu traumatisch, doch der Enthusiasmus für einen neuen slowenischen Nationalstaat wurde durch die Privatisierung und die spätere Finanzkrise schnell gedämpft. Die Wende hat unsere Zukunft abgeschafft. Vor allem Millennials und jüngere Generationen verloren durch die Transformation zum Kapitalismus den Glauben an den „Fortschritt“. Ökologische und politische Krisen lassen uns vielmehr einen Weltuntergang erahnen. 

Der Appell in Form des Jugofuturismus beruht dennoch nicht auf einem Gefühl der Nostalgie. Jugoslawien zerfiel auf eine brutale Art und Weise, was kaum die Folge eines perfekten Staatsmodells sein kann. Der Staat war nicht frei von Nationalismen, Chauvinismus und Aufhetzung – Aspekte, die wir nicht vermissen. Doch in der damaligen Multiethnizität, im sozialistischen Feminismus, im Prinzip der Gleichheit aller Menschen und dem Recht auf ein sinnerfülltes Leben und Freizeit sowie im sozialen Wohnbau sehen wir eine Fülle unausgeschöpfter Potenziale. Jugofuturismus soll kein neues politisches Programm für die Zukunft sein, er ist das Politikum an sich, wieder an die Zukunft zu glauben. Er gibt den Mut, uns die Mitgestaltung der Welt anzueignen und uns nicht einfach den Regeln eines hegemonialen Plans anzupassen. Seit unserer Jubiläumsausgabe 2020 haben wir daher eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte realisiert. Autor*innen aus dem ehemaligen Jugoslawien, Bulgarien und dem Vereinigen Königreich trugen bisher mit künstlerischen oder theoriebezogenen Artikeln zu unserer Zeitschrift bei. 2021 organisierten wir eine Konferenz auf der 34. Biennale für grafische Künste in Ljubljana, die dem jugoslawischen Technologiekonglomerat Iskra Delta gewidmet war. Eine weitere Konferenz fand 2022 auf dem Internationalen Theaterfestival BITEF in Belgrad statt. Da wir unser Projekt allen Interessierten zugänglich machen möchten, richteten wir mit der Open Source Programmierergruppe Kompot eine Internetseite ein. Hier kann jede*r Gedanken zum Jugofuturismus teilen und direkt neue Konzepte hinzufügen oder bestehende bearbeiten. So entsteht ein kollaboratives, dezentralisiertes „jugofuturistisches Manifest“. 

Peripherie empowern 

In Anlehnung an das Konzept des Afrofuturismus kann eine weitere politische Dimension auf den Jugofuturismus angewendet werden: Ethnische oder anderweitig marginalisierte Gruppen haben die künstlerische Kraft, Identitäten und Gesellschaften wiederherzustellen oder zu reparieren, die als zukunftslos und rückständig bezeichnet werden. Die Nachfolgestaaten Jugoslawiens unterschieden sich teilweise stark in Bezug auf ihre wirtschaftliche Situation und die Einbindung in die EU. Doch ihnen allen ist eine gewisse Zukunftslosigkeit gemein, die sich in Jugendarbeitslosigkeit, Abwanderung und Wirtschaftsmigration zeigt. Viele haben zudem das Gefühl nur am Rande Europas zu existieren. Aus dieser Perspektive kann der Jugofuturismus eine kreative Erinnerung daran sein, dass eine besondere Kraft in der Einheit liegt. Durch Nationalismen zersplitterte und durch Eurozentrismus entfremdete Menschen können wieder zusammenfinden. Die Autorin Ana Fazekaš schreibt in Maska dazu, dass wir die überwältigenden Gefühle des Zurückbleibens und der Hoffnungslosigkeit nicht bekämpfen, sondern annehmen sollten. In der Akzeptanz dieser Gefühle kann eine gewisse Befreiung liegen, da wir unser Verlierertum endlich bejahen und es nicht mehr schamhaft zu verstecken versuchen. 

Zwischen Utopie und Dystopie 

Nichtsdestotrotz ist Jugofuturismus eine Frage und keine Antwort. Wir versuchen einen kreativen Funken zu entfachen, und Anlässe zu bieten, um sich wieder interregional zu vernetzen. Für die Nachkriegsgenerationen gab es bisher kaum derartige Möglichkeiten. 

Da Maska auch ein Institut für künstlerische Produktion im Bereich der performativen Künste ist, veröffentlichten wir 2022 eine offene Ausschreibung für eine jugofuturistische Performance. Schließlich wurde das Stück „How well did you perform today?“ der bosnischen Performance-Künstlerin Alma Gačanin beim YUFU Cycle Event im Jänner dieses Jahres uraufgeführt. Es zeigt eine feministische Dystopie, die in einem Fitnessstudio der Zukunft spielt. In dem Stück werden sexuelle, emotionale und ausbeuterische Dimensionen der Arbeit erforscht. Außerdem beauftragte Maska Performer*innen und Forscher*innen, sich mit der Idee einer alternativen Zukunft des Künstlers und Forschers Rok Kranjc auseinanderzusetzen: In „Future 14b“ führte ein Alien durch den „Krater“, eine verlassene Baustelle in Ljubljana, und zeigte Stationen unserer utopischen und dystopischen Zukunft. 

In Zusammenarbeit mit Radio Študent, dem ältesten unabhängigen Radio in Europa, entstand zudem eine Reihe von Sendungen und kurzen Experimentalfilmen. Sie handeln von wichtiger Infrastruktur wie Straßen und Eisenbahnen in postjugoslawischer Zeit, Roadtrips der „verlorenen Generation“ und von Kultmodestücken wie den Trainingsanzügen aus den Achtzigern, die heute recycelt werden und wieder im Trend liegen. Für letzteres Projekt arbeiteten wir mit dem Lehrstuhl für Textil- und Modedesign der Fakultät für Natur- und Ingenieurwissenschaften zusammen. Innerhalb eines Semesters verwandelten Studierende alte Trainingsanzüge in Designerstücke zum Thema Jugofuturismus.  

Für uns steht Jugofuturismus erst am Anfang. Mit unserer partizipatorischen Webseite und weiteren künstlerischen und interdisziplinären Initiativen möchten wir den Funken der Kreativität immer wieder neu entfachen und Wege für sinnvolle interregionale und internationale Verbindungen schaffen. 

 

Janez Janša (geboren Emil Hravtin) ist einer von drei slowenischen Künstlern, die sich 2007 nach dem rechtspopulistischen Politiker und ehemaligen Ministerpräsidenten Sloweniens umbenannten. 

Sebastian Schäffer Gast beim Podcast zur EU Erweiterung von Europe Direct Dortmund

Vor 20 Jahren hat die EU das “Versprechen von Thessaloniki” gegeben: Die Zukunft der Westbalkanländer liege in der EU. Bisher ist nur wenig passiert. Doch seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das Thema EU-Erweiterung wieder präsenter geworden. In diesem Podcast schaut Europe Direct Dortmund mit verschiedenen Expert:innen auf die Beitrittsperspektiven der Westbalkan-Länder – in der Reihenfolge, in der sie ihren Beitrittsantrag gestellt haben. 

In der zweiten Folge war IDM-Direktor Sebastian Schäffer zu Gast und sprach darüber, was eine Autobahn in Montenegro mit China zu tun hat und was man unter einer unvollständigen Demokratie versteht. Neben Serbien laufen auch mit Montenegro Beitrittsverhandlungen. Den aktuellen Stand und die größten Herausforderungen des kleinen Landes im Beitrittsprozess werden ebenfalls besprochen:

Warum ist Montenegro eine “defizitäre Demokratie”, Herr Schäffer? 

European integration of the Western Balkans: Montenegro on the way to the European Union

Datum/Zeit
Oktober 10, 2023
10:00 – 11:30 MESZ/MEZ

Venue: University of Donja Gorica, Oktoih 1, Podgorica 81000, Montenegro

Even after months of coalition negotiations in the wake of parliamentary elections in June 2023, a new government has not been formed in Montenegro so far. As a member of NATO and a front-runner in the accession process to the European Union, the country’s pro-European, pro-Atlantic orientation is expected to continue under the new cabinet in Podgorica. However, the question remains what kind of stability the new government brings, can a multi-party coalition withstand domestic political turbulences and face regional turmoil and tensions? 

Considering the newly established political constellation in this Adriatic country and recent events in the region, the panel discussion focused on the long-awaited European integration of the Western Balkan countries. Experts evaluated the role of Montenegro and current cross-border cooperation formats fostering the accession of the politically and geographically strategic region of South-Eastern Europe to the European Union. 

IDM at the youth event “Young Danube Bridges”

On 19 September, Sophia Beiter attended the event “Young Danube Bridges” at the Collegium Hungaricum in Vienna. Organized by the regional cultural advisor from the Danube Swabian Central Musuem in Ulm, the seminar was part of the project “International Youth Encounters in the Danube Region” and aimed to facilitate the exchange of knowledge and ideas on key issues concerning the area. 

Participants from Germany, Hungary, Croatia, Montenegro, Romania, Bulgaria and Moldova came together to learn about the EU Strategy for the Danube Region. The young people, who are all learning German, presented their countries, brought some typical food from their region and gathered knowledge about the Danube region during creative games and interactive activities. Alongside the IDM, several cultural institutes and embassies of the respective countries were present at the event. 

Parliamentary Elections in Montenegro 2023

Read the briefing by Darija Benić, our former trainee, here:

The whole discussion is available on the YouTube channel of the IDM:

Early parliamentary elections, which will be held on June 11, are the twelfth parliamentary elections since the introduction of the multi-party system and the sixth in independent Montenegro. About 542,000 voters registered in the central voter register have the right to vote.
In the elections, 81 deputies are elected to the Assembly of Montenegro.

In the parliamentary elections, Montenegrin citizens will be able to choose between 15 electoral lists (parties and coalitions).

Experts view the considerable number of participants in the elections as a result of the Europe Now Movement’s increasing popularity, despite their varied political stances. Most of the other participants have prior involvement in Montenegrin politics.

Recently, the parties of the parliamentary majority dissolved the previous political alliances and established new ones, while the top officials and leaders of all opposition parties stepped down from their respective roles.

Montenegro has been undergoing significant political changes over the past few years. In 2020, the country’s ruling party, the Democratic Party of Socialists, lost its majority in parliament for the first time in decades. This marked a significant shift in Montenegrin politics and sparked hopes for a more diverse and competitive political landscape.

In essence, opposition to Đukanović’s leadership began when his party tried to seize the property of the Serbian Orthodox Church (the biggest denomination in the country, representing the entire Serbian minority and the vast majority of Montenegrin Christians). As a result, the Church organized religious processions, and the public expressed their disapproval.

Although Đukanović attempted to attribute blame to typical suspects such as Serbs and Russians for interfering in Montenegrin internal affairs, it was ultimately a coalition of a variety of groups, including Montenegrins, Serbs, Albanians, the Church, the civil sector, and many others, that caused his party to lose control of the government in 2020.

Following the defeat, the situation became more unsettled like most transitions. Three consecutive governments emerged after the party of Đukanović lost power. The first government was led by Zdravko Krivokapić, but they needed the support of Dritan Abazović, an ethnic Albanian. The government was later toppled by Former President Đukanović, and his party returned to power with Abazović serving as prime minister.

Soon after, Dritan Abazović made a groundbreaking deal with the Serbian Orthodox Church that reversed the attempts to take away Church property. This effectively resolved the issue that had caused dramatic division in Montenegrin society.

As a result, Đukanović forced the collapse of the second post-2020 government. Currently, the government couldn’t be formed, because Đukanović has refused to give Abazovic and some Serbian parties a mandate since mid-2022.

Then, Montenegro has had a “technical government” while a constitutional crisis emerged in the background. Namely, the formation of the Constitutional Court of Montenegro and other important institutions could not be formed.

The reason for this is partially because certain officials in those establishments were detained for their involvement in corruption and organized crime, as well as because several figures in Montenegro’s political environment are opposing any kind of action.

Regardless, Đukanović’s party has sustained its losing trend in numerous local elections that followed, with the most significant when they lost elections in the capital and most populated city, Podgorica.

In those elections, a new political option has been introduced, the recently created movement “Europe, Now!” is led by the youthful Milojko Spajić and equally young president-elect Jakov Milatović. In fact, Milojko Spajić has been a more prominent leader, but he was ineligible to run for the presidency because he has both Montenegrin and Serbian citizenship, a technicality which prevented him from running for the highest office.

Thus, a previously lesser-known politician with little experience in politics became the front-runner and defeated the 32-year-long reign of Milo Đukanović.

He was supported by the entirety of the Serbian minority, a significant part of the Montenegrin majority, the entirety of the civil society, all civic platform parties, the Serbian Church, an ethnically Albanian Prime Minister and– both pro-Russian and pro-European parties in Montenegro.

The true implications of these elections are affecting more internal affairs rather than its foreign policy or strategic position; All parties participating in both the recent presidential and 2020 elections have expressed support for Montenegro’s accession to the EU.

Nevertheless, Montenegro is still experiencing political turbulence due to numerous internal divisions. While these elections were necessary for national reconciliation between Montenegro’s two largest ethnic groups, it is uncertain how long the winning coalition will stay united after the defeat of Milo Đukanović.

The complicated political situation in Montenegro is likely to persist, and the restructuring of institutions and political systems will need to be more robust than in other areas of the Balkans.

The upcoming elections will be crucial for the future of Montenegro, as they will determine the country’s political direction and leadership.

The country’s accession to the European Union will likely be a key issue, with some parties advocating for closer ties with the EU and others pushing for a more isolationist approach.

A new beginning for Montenegro

Montenegro will have a new president whose victory brought the era of the longest serving politician in Europe to an end. Darija Benić explains the significance of this watershed election in her commentary for the IDM Blog.

The second round of presidential elections was held in Montenegro on April 2. The presidential candidate of the centrist, anti-corruption and pro-European political movement Europe Now Jakov Milatović, who received more than 60 percent of the votes, was elected as the new president, while Milo Đukanović (a populist political party Democratic Party of Socialists, DPS) got about 40 percent of the votes. This is the fourth presidential election since the restoration of Montenegrin independence in 2006 and the seventh since the introduction of the multiparty system. 

The Europe Now was formed nine months ago, and in addition to winning presidential elections, it showed great success in the October local elections. The victory of Jakov Milatović was expected and the decline of the Democratic Party of Socialists is only more visible. The DPS was completely disempowered after the party’s three-decade regime was replaced in the parliamentary elections in August 2020. In the meantime, the DPS also lost power in most of the municipalities where it ruled for years. 

Even though Montenegro is entering a phase of uncertainty, there are great expectations from the new president and it is optimistically pointed out that this is the beginning of a new era in the political life of Montenegro. Perhaps one of the key issues is the future of Serbian-Montenegrin relations, which have been far from expected in recent years. The influence of the Serbian Orthodox Church on political life in Montenegro could continue to grow because the parties that will come to power in June, after parliamentary sources, might be open to such influence.  

The victory of Milatović raises hopes for the democratization of Montenegro and easing of tensions in the country. Judging by previous statements, the new president of Montenegro seems to be trying to distance himself from the major political and geopolitical topics, and to focus on the economy and economic cooperation of the region. 

The spokesperson of the head of European diplomacy, Peter Stano, said at a press conference for Brussels correspondents that the European Union looks forward to joint cooperation with the new president as well as all political actors in Montenegro in order to help it stay on the path to the EU and build a consensus on the key priorities that need to be fulfilled during the European integration process. 

The next step will be the extraordinary parliamentary elections which will be held on June 11. They were announced because of the institutional crisis that stopped the integration of Montenegro into the European Union. 

 

Darija Benić– a student in the Master’s program in Planning and Management of Tourist and Cultural Systems at the University of Bari Aldo Boro (Italy) and a former trainee at the IDM ( July to December 2022). She holds a BA degree in Languages and Cultures for Tourism and International Mediation from the same university. 


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The current President of Montenegro, Milo Đukanović, and the candidate of the Europe Now Movement, Jakov Milatović, will meet in the second round of the presidential elections on April 2. Although in the Montenegrin system the function of the president is significantly weaker than that of the prime minister, these elections are seen as significant, as they could be a prelude to extraordinary parliamentary elections and a new division of power on the rather complicated Montenegrin political scene.

Our former trainee Darija Benić talks about the current situation regarding the presidential elections in Montenegro in the newest Short Insight.


Transcript: 

On March 19 in the first round of presidential elections in Montenegro, the president of the Democratic Party of Socialists (DPS) Milo Đukanović, won 35.3 percent of the votes and Jakov Milatović, whose movement Europe Now has no parliamentary status, won 29.2 percent of the vote.

The candidates were diverse – an influencer without a day of political experience Jovan Radulović, the current president with 30 years in power in his biography, several of  his opponents (besides Milatovic- Andrija Mandić from For the Future of Montenegro,  Goran Danilović from United Montenegro, Aleksa Bečić from Democratic Montenegro) and one female candidate Draginja Vuksanović Stanković (Social Democratic Party of Montenegro). This indeed briefly describes the starting position for the President of Montenegro.

The second round is scheduled on April 2. Both rounds of presidential elections are held in a time of institutional and political crisis. The current government lost confidence in the parliament seven months ago. Several attempts to form a new one failed, which is why Đukanović announced early parliamentary elections for June 11. The results of the second round of presidential elections, in which Milo Đukanović and Jakov Milatović will be present, will have an impact on the upcoming parliamentary elections, which could lead to overcomposition on the political scene of Montenegro.

 

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Balkan, Ukraine und Moldau nach Europa – sofort!

„„Gschichtn“ von Fußball, Freiheit und Zukunft“ 

In seinem Kommentar fordert IDM-Geschäftsführer Sebastian Schäffer eine dringende Reform des EU-Beitrittsprozesses und erklärt seine Beweggründe für die Entstehung der “Gschichtn” über die Länder des (West-)Balkans, Ukraine und Republik Moldau. 

Eine dringende Reform des EU-Beitrittsprozesses  

Die EU-Erweiterung ist und bleibt das wichtigste Instrument zur Transformation auf dem europäischen Kontinent. In Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union heißt es wie folgt: 

 „Jeder europäische Staat, der die in Artikel 2 genannten Werte achtet und sich für ihre Förderung einsetzt, kann beantragen, Mitglied der Union zu werden.“ Konkret heißt das: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“  

Leider ist der Beitrittsprozess in den vergangenen Jahren immer technischer und langwieriger geworden. Einzelne Mitgliedstaaten nutzten ihre Möglichkeit, Fortschritte  auch ohne gerechtfertigte Gründe zu blockieren. Das geschah zu verschiedenen Zeitpunkten des Prozesses, etwabevor ein Land den Kandidatenstatus erhielt, bevor die Verhandlungen eröffnet wurden, bevor diese abgeschlossen wurden und dann auch noch vor der endgültigen Aufnahme. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Transformationskraft der EU. Der Austritt des Vereinigten Königreichs hatte ebenfallsEinfluss darauf. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass eine EU-Mitgliedschaft weiterhin für die betroffenen Länder attraktiv ist und die europäische Integration eines der wichtigsten politischen Projekte darstellt. Doch der Prozess muss dringend reformiert werden. Vorschläge dazu gibt es genug, doch es braucht mehr Mut, um die Aufgabe anzugehen. Der Sorge vor einer langen und schwierigen Vertragsrevision möchte ich entgegenhalten: Vom Vertrag von Nizza zum Vertrag von Lissabon – inklusive gescheitertem Verfassungsvertrag und zunächst negativen Volksentscheid in Irland – vergingen etwas mehr als sechs Jahre. Hätten wir direkt nach dem Brexit-Referendum den Mut gehabt, die Verträge und damit auch den Erweiterungsprozess zu reformieren, könnten wir dies bereits jetzt anwenden! 

“Balkan nach Europa – sofort!” 

Im Sommer 2020 fragte mich Erhard Busek, ob wir gemeinsam ein Buch zum Westbalkan schreiben wollen. Ich war sofort begeistert und habe recherchiert, was darüber von wem in den letzten Jahren publiziert wurde Gemeinsam mit einer Kollegin am IDM erstellten wir eine umfangreiche Liste von Titeln in mehreren Sprachen und kamen zu der Erkenntnis, dass es nicht unbedingt Bedarf für weitere umfassende Publikationen gibt. Zudem wurde das Projekt immer größer und es drohte langwierig zu werden. Erhard und mir verband eine gewisse Ungeduld im Hinblick auf die Umsetzung von Aktivitäten für unsere Region, was sicherlich für die Beteiligten nicht immer einfach ist. Die Plattform story.one bietet dieser  Möglichkeit relativ rasch ein Buch zu veröffentlichen und sich aufgrund der maximalen Zeichenanzahl einer Geschichte von 2500 Zeichen(es können höchstens 17 Geschichten in ein Buch) auf das Wesentliche zu beschränken. Somit hatten wir den geeigneten Rahmen für unser Projekt gefunden. Die „Gschichtn“ über Grenzen, Glauben und Grausamkeiten, über Fabeln, Frieden und Fußball verknüpften wir mit unserem Plädoyer  über die sofortige Aufnahme aller Westbalkanstaaten in die EU. 

Ein Frühjahr, das alles veränderte… 

Der 24. Februar 2022 war für uns alle ein Schock. Als dann die Ukraine und später auch die Republik Moldau sowie Georgien einen Beitrittsantrag zur EU stellten, haben wir begonnen zu überlegen, ob wir nicht eine Art Nachfolgepublikation schreiben sollten. Leider ist Erhard dann plötzlich am 13. März 2022 verstorben. Dieser neue Schock hat erneut unsere Prioritäten verschoben und das Projekt geriet in den Hintergrund. Als dann nach den Weihnachtsfeiertagen etwas Ruhe eingekehrt ist, holte ich die Idee wieder hervor und begann auszuprobieren, wie es sich anfühlt, das Buch alleine zu schreiben. Mir wurde rasch klar, dass es funktioniert. 

„Ukraine & Moldau nach Europa – sofort!“ 

„Ukraine & Moldau nach Europa – sofort!“ ist zunächst eine Verneigung vor Erhard Busek. Es ist auch eine Verbeugung vor den Menschen, die in der Ukraine für unsere Werte kämpfen. Ich versuche – ähnlich wie bei „Balkan nach Europa – sofort!“ – durch „Gschichtn“ von Fußball, Freiheit und Zukunft Zusammenhänge aufzuzeigen, Zugehörigkeit herzustellen, Zusammengehörigkeit zu veranschaulichen, Zusammenhalt zu vermitteln und damit hoffentlich dazu beitragen, dass die Zeitenwende, wie der 24. Februar 2022 weithin inzwischen bezeichnet wird, am Ende positive Assoziationen hervorruft. Anders als in der ersten Publikation ist aber hier kein konkretes Plädoyer für eine sofortige EU-Mitgliedschaft der Ukraine und/oder Moldau enthalten, weil es nicht mit den gleichen Vorschlägen, die wir im Hinblick auf die Westbalkanstaaten gemacht haben, umsetzbar ist. Ich wollte dennoch durch den Titel bewusst eine Kontinuität in der Arbeit des IDM darstellen.