Péter Techet über den Mafiastaat und Clan-Loyalität im Orbáns Ungarn für „taz“

In der bundesdeutschen Tageszeitung „TAZ“ schrieb Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter des IDM, einen Meinungsartikel anlässlich des aktuellen Skandals in Ungarn (infolge des Rücktrittes der Staatspräsidentin) über die Enthüllungen eines Fidesz-Insiders über das Regime als „Familienunternehmen“. Techet meint, dass Ungarn ein postkommunistischer Mafiastaat sei: Das Orbán-Regime sei nicht durch eine Ideologie, sondern durch die pure Clan-Loyalität zusammengehalten.

Der Artikel kann hier gelesen werden.

Péter Techet über die Folgen des Rücktrittes der ungarischen Staatspräsidentin für ARTE

In den Abendnachrichten des deutsch-französischen Kultursenders ARTE sprach Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter des IDM darüber, ob der Rücktritt der ungarischen Staatspräsidentin und die Kritik eines ehemaligen Fidesz-Insiders die Macht von Viktor Orbán gefährden können.

Das Statement kann hier auf Deutsch (nach 8:00) oder auf Französisch (nach 7:47) angeschaut werden.

Péter Techet über den Mafiastaat in Ungarn

In der italienischen Tageszeitung „Domani“ wurde auch Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa über den aktuellen Skandal in Ungarn befragt, der infolge des Rücktrittes der Staatspräsidentin Katalin Novák erfolgte. Ein Insider der Fidesz-Partei packte in einem Interview aus: Das Regime funktioniere wie ein Mafiastaat, wo Angst herrsche und alles kontrolliert werde. Techet meinte für „Domani“, dass der Fidesz-Insider ein Regime beschrieb, „in dem das Stockholm-Syndrom vorherrscht: Jede, sogar diejenigen an der Spitze der Macht, werden kontrolliert und misshandelt, der Staat funktioniert wie eine Familienmafia“.

Der Artikel (hinter Paywall) kann in Italienisch hier gelesen werden.

Péter Techet über das ungarische „Gesetz zum Schutz der Souveränität“

In der aktuellen Ausgabe der Schweizer Monatszeitschrift „Religion und Gesellschaft in Ost und West“ analysiert Péter Techet die Gründe und die Gefahren des „Gesetzes zum Schutz der Souveränität“, das im Dezember im Budapester Parlament verabschiedet wurde. Techet stellt dar, wie und warum die Regierungsparteien die Opposition mit rechtlichen Mitteln einschränken wollen. Der ganze Artikel ist hier zu lesen.

Péter Techet über die Gefahren des Orbán`schen Souveränitätsverständnisses

Für die österreichische Tageszeitung „Die Presse“ schrieb Péter Techet einen Kommentar über das neue „Gesetz zum Schutz der Souveränität“, das das ungarische Parlament im Dezember 2023 verabschiedet hatte. Techet kritisiert die Auffassung, dass die Souveränität eine absolute staatliche Macht sei, und zeigt die antidemokratischen Gefahren der Souveränitätsdiskurse auf.

Der Artikel ist hier zu lesen.

Stop Nagymaros!

Im neuesten Beitrag auf dem IDM-Blog erwartet Sie eine kleine Abweichung vom Gewohnten, denn wir präsentieren Ihnen dieses Mal Auszüge aus dem Buch unserer Kollegin Daniela Apaydin (dies geschieht selbstverständlich mit der freundlichen Genehmigung des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht). „Stop Nagymaros!“, das auf der gleichnamigen Doktorarbeit basiert, bietet neue Einblicke in die Protestbewegung gegen das kommunistische Wasserkraftprojekt Gabčíkovo-Nagymaros und beleuchtet die Transnationalisierung von Umweltprotesten in Mitteleuropa.

Das Buch wird auch am 18. Jänner an der Universität für Bodenkultur in Wien (Zentrum für Umweltgeschichte) präsentiert. Nähere Informationen finden Sie hier.

Abstract 

Zehntausende Menschen protestierten am 12. September 1988 vor dem ungarischen Parlament gegen das Wasserkraftprojekt Gabčíkovo-Nagymaros. Was mit vereinzelten kritischen Stimmen in der Untergrundpresse begann, entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zu einer schlagkräftigen Bewegung gegen den kommunistischen Megabau. Es war kein Zufall, dass sich unter den DemonstrantInnen zahlreiche ÖsterreicherInnen befanden. Die Donaubewegung bildete einen Kristallisationspunkt für Protest, der weit über die Grenzen Ungarns hinausreichte. Dies war die Leistung von einer Handvoll AktivistInnen, die es wagten, jenseits des Eisernen Vorhang nach Verbündeten zu suchen. Denn spätestens als bekannt wurde, dass sich Österreich am Kraftwerksbau beteiligen würde, geriet der lokale Protest zu einer mitteleuropäischen Angelegenheit. 

(…) 

Einleitung 

Grenzübergreifender Aktivismus gehört heute zum Repertoire jeder größeren Umweltbewegung. Die Selbstverständlichkeit dieses Ansatzes zeigte sich etwa bei der »Klimastreikbewegung«, die ab dem Frühjahr 2019 unter dem Leitspruch »Die Klimakrise kennt keine Grenzen – wir auch nicht!« zu ersten l.nderübergreifenden Streiks aufrief. Inspiriert von der Klimaaktivistin Greta Thunberg formierten sich ab 2018 zahlreiche junge zivilgesellschaftliche Gruppen wie Fridays for Future und Extinction Rebellion zu einer globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit (Climate Justice Movement). Die folgenden Protestwellen brachten nicht nur die Politik in Zugzwang, sondern ließen auch etablierte Umweltorganisationen angesichts der starken Resonanz staunen. Der Bewegung gelang es, einen Kristallisationspunkt für unterschiedlichste Formen des lokalen Aktivismus zu bieten und zugleich als transnational agierender Akteur aufzutreten. 

Die Anfänge grenzüberschreitender Umweltbewegungen reichen in eine Zeit zurück, die weitaus weniger Vernetzungsmöglichkeiten und Mobilitätschancen bot als heute. Schon vor dem Fall des Eisernen Vorhanges, als eine Zweiteilung Europas das Denken Vieler dominierte, waren AkteurInnen (1) lokaler Umweltbewegungen im kommunistischen Ungarn davon überzeugt, dass sie nur mit grenzübergreifenden Mitteln der Umweltzerstörung entgegentreten könnten. 1988 fanden zum ersten Mal seit der blutigen Niederschlagung des Volkaufstandes 1956 in der ungarischen Hauptstadt der Ungarischen Volksrepublik wieder Massenproteste statt. Am 12. September 1988 versammelten sich mehrere zehntausend Menschen vor dem Parlamentsgebäude, um gegen das bilaterale Staustufenprojekt an der Donau, Gabčíkovo-Nagymaros Vízlépcso˝ – GNV, zu demonstrieren. Der kostenintensive Megabau geriet in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre zu einem starken Symbol sämtlicher Missstände im Land und bildete eines der zentralen Streitthemen am Vorabend des Systemwechsels in Ungarn. Dass sich am 12. September auch zahlreiche ÖsterreicherInnen unter den DemonstrantInnen befanden, war kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrelanger Kooperation über die Systemgrenzen hinaus. Gemeinsam gelang es der »Donaubewegung « (2), internationale Aufmerksamkeit für die befürchteten Umweltschäden vonGNV zu erregen. 1989 zog sich Ungarn aus dem Projekt zurück. Der Fall GNV kann damit als ein zentrales Kapitel mitteleuropäischer Protestgeschichte betrachtet werden. Die Geschichte dieser Grenzüberschreitung steht im Zentrum dieses Buches. 

(…) 

Das Jahrzehnt der Ökologisierung 

Um die Hintergründe der Proteste gegen das Kraftwerksprojekt zu verstehen, müssen die damaligen Ereignisse mit den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen jener Zeit, also den Europäisierungs- und Transnationalisierungstendenzen sowie der Ökologiebewegung in Bezug gesetzt werden. Ein Blick auf den Forschungsstand veranschaulicht, warum eine Synthese von Ansätzen aus der Protest- und Bewegungsforschung, der Umwelt- und Technologiegeschichte sowie der historischen und soziologischen Auseinandersetzung mit Umweltbewegungen in der Region nötig ist, um die historischen Grenzüberschreitungen strukturiert zu untersuchen und für künftige komparatistische Studien aufzubereiten. Eine Grundlage bilden die Transformationen der 1970er Jahre, die vom Umwelthistoriker Joachim Radkau eingängig beschrieben wurden. (4) Unter Berufung auf Max Nicholsons »Environmental Revolution« verortet Radkau in dem Jahrzehnt nicht nur einen demografischen Wendepunkt, sondern auch den Beginn einer »großen Kettenreaktion«. (5) Gesteigertes Bewusstsein für Umweltprobleme, Wachstumskritik und die Hinterfragung bisheriger Denkmuster (6) zeichneten die ökologische Wende jener Jahre aus. Ihre Eigenschaft der Prozesshaftigkeit hieltmit dem Begriff der Ökologisierung Eingang in den bundesdeutschen Diskurs. (7) Die Wurzeln dieser gesellschaftlichen Durchdringung von Umweltfragen reichten natürlich weiter zurück. Die Wende äußerte sich nun darin, dass »das neue Umweltengagement seine Adressaten bekam und nicht im leeren Raum verpuffte«. (8) Wurde die Öko-Szene oft mit Stereotypen behaftet, bezeugten die 1970er Jahre eine größere Vielfalt an AgitatorInnen, die nicht mehr zwangsläufig mit der neomarxistisch dominierten Studierendenbewegung des Jahres 1968 gleichgesetzt werden konnte. Die VertreterInnen der ökologischen Wende kamen nun aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. (9) »Was sich vielerorts als Subkultur präsentierte, war inWahrheit ein Segment der neuen Hochkultur.« (10) 

Aktives Umweltengagement bildete sich in Europa vorwiegend als Reaktion auf die rapide Industrialisierung im 19. Jahrhundert. In Folge der Luft- und Wasserverschmutzung sowie der Urbanisierung gründete sich schon im Jahr 1865 die Commons Preservation Society (11) in Großbritannien, deren Nachfolgeorganisation bis heute aktiv ist. (12) Auch in Österreich lassen sich Praktiken des Naturschutzes auf das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert zurückführen. Ein bekannter Vorläufer des offensivenUmweltprotestswar Josef Schöffel, der in den Jahren 1870–1892 Widerstand gegen die Zerstörung des Wienerwalds leistete. Assoziationen wie der Österreichische Naturschutzbund – ÖNB, gegründet 1913, »Die Naturfreunde in Österreich«, gegründet 1895, oder der »Alpenverein«, gegründet 1862, bildeten die ersten InteressensvertreterInnen für naturbewusste ArbeiterInnen und BürgerInnen. (13)

»Ging es den konservativen Naturschützern darum, Einzelobjekte, Arten und Denkmäler vor dem Menschen zu schützen und zu bewahren, so ging es den Sozialdemokraten um die Erschließung der Natur für die Arbeiter und um den damit assoziierten Erholungswert im Rahmen einer kulturellen Arbeiterbewegung. War diese Kulturbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts noch relativ stark, so verlor sie in den Kriegsjahren und in der anschließenden Phase der nachholenden Modernisierung weitgehend an Bedeutung in der Arbeiterbewegung, ohne gänzlich verloren zu gehen.« (14) 

Die unterschiedlichen Sichtweisen und Traditionen der NaturschützerInnen – Radkau nennt sie die verschiedenen Arten der Naturliebe – trugen auch in den später aufkommenden Umweltbewegungen der 1970er Jahre zur heterogenen Beschaffenheit und zu Abgrenzungsversuchen ihrer VertreterInnen bei. Diese äußerten sich etwa in Konfliktlinien hinsichtlich der Kompromissbereitschaft gegenüber politischen Lösungsvorschlägen, aber auch in den Selbst- und Fremdbildern der EinzelakteurInnen und Gruppen selbst. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sich in Europa erneut namhafte Autoren wie der amerikanische Historiker John W. Dower oder der britische Pflanzenökologe Arthur George Tansley für Fragen desUmwelt- und Naturschutzes ein. Zweifellos kennzeichnete die »ökologische Dekade« (15) der 1970er Jahre jedoch ein verändertes Selbstverständnis in den Mensch-Natur-Beziehungen. Gehörten ökologische Fragen bis dahin eher zu den gesellschaftlichen Randthemen (16), formten Publikationen wie Rachel Carsons »Silent Spring« (17) (1962) und »The Limits to Growth report« (18) (1972) zentrale »milestones of modern international environmentalism « (19). Gemeinsam mit Aktionen, wie dem ersten »Earth Day« 1970 oder der Stockholm-Konferenz der Vereinten Nationen 1972 in Helsinki, trugen sie zu einem global gesteigerten Bewusstsein für Umwelt und Ökologie bei. (20) Anstöße für diese neuen Sichtweisen bildeten die zunehmende Kritik an neoliberalen Dogmen innerhalb der kapitalistischen Industriegesellschaften und – in Bezug auf Osteuropa – steigende Unzufriedenheit mit den privilegierten Eliten kommunistischer Regimes. Die Ökologisierung reiht sich damit auch in die globalen Entwicklungstendenzen der 1970er Jahre ein – ein Jahrzehnt des Überganges, das Radkau auch als »Sattelzeit« bezeichnete. (21) Auch wenn die Naturschutzbewegungen des frühen 20. Jahrhunderts mit jenen der späteren Jahrzehnte die Absicht teilten, bestehende Werte und Logiken der Industriegesellschaft zu verändern, so unterschieden sie sich hinsichtlich ihrer Gesellschaftsvisionen und konkreten Zielsetzungen. (22) Standen bislang der Schutz vonArten oder der Erhalt vonbeeindruckenden Landschaften im Blickfeld der NaturschützerInnen, wurde die Debatte nun um den »Diskurs über komplexe Nutzungsansprüche und den damit verbundenen Konflikten und ihren Akteuren« erweitert. (23) ForscherInnen wiesen eindringlich auch die negativen Folgen eines ungebremsten technischen Fortschrittes hin und warnten unter dem Titel »Die Grenzen des Wachstums« vor dem zunehmenden durch Menschenhand verursachten Druck auf die Umwelt. (24) Vereinfacht gesagt argumentieren die AutorInnen dafür, dass der Mensch bzw. eine Gesellschaft sich eigene Grenzen setzen soll, anstatt so lange weiterzuwachsen bis eine neue natürliche Grenze erscheint, in der Hoffnung, bis dahin eine technologische Lösung zu ihrer Überwindung gefunden zu haben. (25) Durch ihr Ziel, gesellschaftlichen Wandel zu ermöglichen, wurden Umweltbewegungen zu einem Sammelbecken für AgitatorInnen des beschränkten Wachstums und der Technik-Kritik. Mit der Entstehung von Sozialen (Umwelt-) Bewegungen als »New Politics« (26) erhielt die Ökologie als rein naturwissenschaftlicher Begriff eine Kategorie, die fortan auch mit politischer Macht in Verbindung stand. Als eine Form von Sozialen Bewegungen zielen ihre AkteurInnen darauf ab, gesellschaftlichen Wandel hinsichtlich des Schutzes der Umwelt herbeizuführen. Sie setzten sich für die Reduktion oder Vermeidung von Umweltschäden ein und fordern eine nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen. (27) Im zweigeteilten Europa der 1970er und 1980er Jahre bedeuteten Umweltbewegungen zwangsläufig auch die Infragestellung bestehender Machtverhältnisse. Die Autoren Simo Juhani Laakkonen, Viktor Pál und Richard Tucker sehen folglich klare Wechselwirkungen zwischen ökologischen Fragen und Aspekten des Kalten Krieges (1946–1991). (28) 

»On the one hand, concerns over environmental contamination or destruction called into question the meaningfulness of the Cold War itself. A growing number of people across the globe realised that the Cold War endangered not only individual freedom, democracy, and the sovereignty of states, but also the state of the environment, the existence of the human race, and even the viability of Planet Earth. On the other hand, the specific socio-political structures of the Cold War deeply affected the physical and mental environment and emergence of related ideas, ideals, organisations and activities. […] Cold-War-dominated political discourse framed the agendas and set the parameters of policy that strongly affected the kind of environmental politics that emerged.« (29)

Die Beschäftigung mit Umweltbewegungen stellt daher nicht nur für die Umweltgeschichte ein wichtiges Feld dar, sondern führt auch VertreterInnen der Cold War history durch neues Terrain. Mit Blick auf Österreichs Rolle im Kalten Krieg weisen etwa Maximilian Graf und Agnes Meisinger auf Forschungsdesiderata zum »ökologischen Paradigmenwechsel« hin. (30) Forschungen, die bewusst nationalstaatliche Grenzen überblicken, zeigen das erstarkende Interesse von HistorikerInnen an Umweltprotesten. Die deutsche Historikerin und Kulturwissenschaftlerin Astrid Mignon Kirchhof und der US-amerikanische Umwelthistoriker John McNeill versammeln in ihrem 2019 erschienen Sammelband »Nature and the Iron Curtain« (31) mehrere Fallstudien aus kapitalistischen und kommunistischen Ländern und zeigen darin auf, wie unterschiedlich die jeweiligen lokalen Bedürfnisse, politischen Spielräume und Dynamiken von Umweltbewegungen waren. Zugleich weisen die HerausgeberInnen aber auch auf die Wichtigkeit transnationaler Perspektiven hin, indem sie die Durchlässigkeit des Eisernen Vorhanges hinsichtlich der AktivistInnen und ihrer Ideen hervorheben. (32)

»Despite the resonance of Churchill’s phrase, the Iron Curtain was never watertight. People, goods, and ideas seeped through. Ideas need mediators such as activists, politicians, experts, social organizations, and the media. All act as transmitting agents for relevant information, ideas, and values. But the successful transmission of ideas needs more than a mere placing of ideas into a different context. A willingness to accept new ideas and values, absorb them, and adjust them to the specific circumstances is also needed. One of the arenas in which ideas seeped, and eventually flowed, through cracks in the Iron Curtain was environmentalism and environmental policy.« (33)

Für die vorliegende Studie von besonderem Interesse sind dabei die entstehenden Spannungsverhältnisse zwischen Gesellschaft, politischer Macht und wirtschaftlichen Partikularinteressen sowie die Beschaffenheit der Protestarenen und die Durchlässigkeit (34) der jeweiligen (Teil-)Öffentlichkeiten in den letzten Jahren des zweigeteilten Europas. Denn, um die Worte Radkaus zu zitieren, »erst musste sich der Bann des Kalten Krieges lösen, damit die Stunde der Ökologie schlug.« (35) Angesichts des Facettenreichtums jener Spannungsverhältnisse überrascht es nicht, dass sich zahlreiche Forschungen mit der ökologischen Wende und ihren Folgen näher befassen.36 Im Bereich der Umweltgeschichte können hierbei wichtige wirtschaftsgeschichtliche Abhandlungen u. a. zur Energiegeschichte (37) genannt werden. Transnationalisierungstendenzen werden vorwiegend in juristischer Hinsicht (Schaffung vonUmweltgesetzen) sowie im Hinblick auf Europapolitik und Governance-Ansätze untersucht, (38) wobei zugleich oftmals der Fokus auf westeuropäische Entwicklungen gelegt wird. Gerade die Erforschung von historischen Umweltbewegungen, insbesondere in Bezug auf ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten entlang des Eisernen Vorhanges, weist nach wie vor große Lücken auf. Trotz der bereits zu nationalen Mythen aufgestiegenen Protestereignisse (Hainburg und Zwentendorf) gehören Umweltbewegungen lediglich zu den Randnotizen in der Protest- und Umweltgeschichte. Umweltgeschichte ist auch in Österreich vorwiegend aus der Technik- und Wirtschaftsgeschichte entstanden. Folglich legt auch die Literatur ihren Schwerpunkt auf die wirtschaftlichen und technischen Aspekte der Mensch-Natur-Beziehungen. (39) Zu den wenigenWerken, die sich stärker auf kulturhistorischeAnsätze fokussieren, aber letztlich doch auf nationale Grenzen beschränkt bleiben, gehört Martin Schmid und Ortrun Veichtlbauers Studie zur Umweltpolitik in der Zweiten Republik, in der die AutorInnen den Weg »vom Naturschutz zur Ökologiebewegung « nachzuzeichnen versuchen. Ihre erstellte Zeittafel schließt auch Protestereignisse in diese Geschichte ein. (40)

 

1 Im Folgenden wird der Akteurs-Begriff mit einem Binnen-I versehen, wenn dieser als Sammelbegriff für Organisationen und Personen benutzt wird. Ist lediglich von Bewegungen bzw. Bewegungsorganisationen die Rede, so wird auf diese Kennzeichnung verzichtet.

2 An manchen Stellen ist gleichbedeutend auch von »Blue Danube Movement« die Rede. Vgl. u. a.: Szabina Kerényi/Máté Szabó, Transnational influences on patterns of mobilisation within environmental movements in Hungary, in: Environmental Politics, 15 (2006) 5, 803–820.

4 Vgl. Joachim Radkau, Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte, München 2011. 

5  Max Nicholson, The Environmental Revolution: A Guide for the New Masters of the World, London 1970. 

6 Siehe dazu u. a.: Erich Hörl, Die Ökologisierung des Denkens, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft 8 (2016) 1, 33–45; Dieter Mersch, Ökologie und Ökologisierung, in: Internationales Jahrbuch für Medienphilosophie 4 (2018) 1, 187–220. 

7 Vgl. Radkau, Ära, 126 (ebook). 

8 Ebd., 134. 

9 Vgl. ebd., 131. 

10 Ebd. 

11 Großbritanniens älteste Naturschutzorganisation wurde 1865 als »Commons Preservation Society« gegründet. Heute heißt die Organisation »Open Spaces Society« und hat ihren Sitz in Henley-on-Thames, England. 

12 Vgl. Our History – Three Key People, URL: https://www.oss.org.uk/about-us/our-history/ (abgerufen 12. 1. 2021). 

13 Vgl. Dieter Pesendorfer, Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik. Von den Anfängen der Umwelt- zu einer Nachhaltigkeitspolitik: Modellfall Österreich?, Wiesbaden 2007. 

14 Ebd., 49. 

15 Radkau, Ära, 27. 

16 Für einen genaueren Überblick siehe: Simo Laakkonen/Viktor Pál/Richard Tucker, The Cold War and environmental history: complementary fields, in: Cold War History 16 (2016) 4, 2. 

17 Vgl. Rachel Carson, Silent Spring. Encyclopedia of Toxicology,1.Aufl., Boston/New York 1962.

18 Vgl. Donella H. Meadows/Dennis L. Meadows/Randers Jorgen/William W. III Behrens, The Limits to Growth: A Report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind, New York 1972. 

19 Vgl. Laakkonen/Pál/Tucker, Cold War, 2; vgl. ebenso: John McNeill, Something New Under the Sun: An Environmental History of the 20th-Century World, New York 2000. 

20 Vgl. Laakkonen/Pál/Tucker, Cold War, 2. 

21 Radkau, Ära, 57; siehe ebenso: Niklas Perzi/Václav Sˇmidrkal, Die langen 1970er Jahre: Die Sattelzeit an der Systemgrenze zwischen »Ost« und »West«, in: Niklas Perzi/Hildegard Schmoller/Ota Konrád/Václav Sˇmidrkal (Hg.), Nachbarn. Ein Österreich-Tschechisches Geschichtsbuch, Weitra 2019, 265–290. 

22 Vgl. Fagan, Environment, 27. 

23 Pesendorfer, Paradigmenwechsel, 50. Siehe ebenso: Harald Payer, Der Nationale Umweltplan (NUP) für Österreich, in: Martin Jänicke/Alexander Carius/Harald Payer (Hg.), Nationale Umweltpläne in ausgewählten Industrieländern, Berlin/Heidelberg/New York 1997, 121–139; sowie: Fagan, Environment, 26. 

24 Vgl. Meadows/Meadows/Jorgen/Behrens, Limits to Growth (1972). 

25 Vgl. ebd., 152f. 

26 Zit.n. P. Koopmans, New Social Movements and Changes in Political Participation in Western Europe, in: West European Politics 19 (1996), 28–50. Zitiert in: Fagan, Environment, 38. 

27 Angelehnt an den Eintrag auf Oxford Reference: »Environmental movements«. URL: https:// www.oxfordreference.com/view/10.1093/oi/authority.20110803095753651 (abgerufen 22. 2. 2021). 

28 Mehrere Fallstudien, nachzulesen bei: Astrid Mignon Kirchhof/John R. McNeill (Hg.), Nature and the Iron Curtain: Environmental Policy and Social Movements in Communist and Capitalist Countries, 1945–1990, Pittsburgh 2019. 

29 Laakkonen/Pál/Tucker, Cold War, 3. 

30 Maximilian Graf/Agnes Meisinger (Hg.), Österreich im Kalten Krieg. Neue Forschungen im internationalen Kontext, Wien 2016, 18. 

31 Kirchhof/McNeill (Hg.), Nature and the Iron Curtain: Environmental Policy and Social Movements in Communist and Capitalist Countries, 1945–1990 Pittsburgh 2019. 

32 Vgl. Astrid Mignon Kirchhof/John R. McNeill, Introduction: Environmentalism, Environmental Policy, Capitalism, and Communism, in: Astrid Mignon Kirchhof/John R. McNeill (Hg.), Nature and the Iron Curtain: Environmental Politcy and Social Movements in Communist and Capitalist Countries, 1945–1990, Pittsburgh 2019, 3–14, hier: 8.

33 Ebd. 

34  Mehr zum Thema Durchlässigkeit des Eisernen Vorhanges bei: Wlodzimierz Borodziej/Jerzy Kochanowski/Joachim Puttkamer (Hg.), »Schleichwege«, Köln 2010, doi:10.7788/boehlau. 9783412213060

35 Radkau, Ära, 118. 

36 Zu den 1970er Jahren siehe u. a.: Antonio Varsori/Guia Migani, Europe in the International Arena during the 1970s. L’Europe sur la scène internationale dans les années 1970, Brüssel 2011; Aida Bosch/Helmut Fehr/Clemens Kroetsch/Gert Schmidt Hrsg/Aida Bosch/Helmut Fehr, Sozialwissenschaftliche Forschung und Praxis, Wiesbaden 1999; Duco Hellema, The Global 1970s: Radicalism, Reform, and Crisis, New York 2018. 

37 Vgl. u. a.: Christopher Fabre, La dimension environnementales des politiques énergétiques française et allemande de 1973 aux années 2000: de l’antagonisme à la convergence des modèles? [Die Umweltdimension der französischen und deutschen Energiepolitik von 1973 bis 2000], phil. Diss., Université Sorbonne Paris IV 2017. 

38 Vgl. u. a.: Jan-Henrik Meyer,Umweltpolitik, in: Éric Bussière/Piers Ludlow/Federico Romero/ Dieter Schlenker/Vincent Dujardin/Antonio Varsori (Hg.), Die Europäische Kommission 1986–2000: Geschichte und Erinnerungen einer Institution, Luxemburg 2019, 403–421; Anthony Zito, Environmental Policy and Governance: Bringing the State Back In (Again)?, in: Giliberto Capano/Michael Howlett/M. Ramesh (Hg.), Varieties of Governance: Dynamics, Strategies and Capacities, London 2015, 74–100. 

39 Siehe dazu u. a. Ernst Bruckmüller/Ernst Hanisch/Roman Sandgruber (Hg.), Geschichte der österreichischen Land- und Forstwirtschaft im 20. Jahrhundert (2 Bände), Wien 2003. 

40 Martin Schmid/Ortrun Veichtlbauer/Hubert Christian Ehalt (Hg.), Vom Naturschutz zur Ökologiebewegung. Umweltgeschichte Österreichs in der Zweiten Republik. Österreich- Zweite Republik. Befund, Kritik, Perspektive, 19. Aufl., Wien 2007.

IDM Short Insights 30: What does the new Hungarian law on sovereignty mean for the opposition?

Last week the Hungarian parliament passed the “Bill on the Protection of Sovereignty”, which de facto targets opposition parties. Under the guise of protecting election campaigns from foreign influence, the newly established office can conduct investigations at any institution, copying and taking away documents without judicial permission and control. Our colleague Péter Techet explains the details of the bill and what consequences it may have for the Hungarian opposition.

Transcript:

On Tuesday evening, the Hungarian Parliament passed the “Bill on the Protection of Sovereignty.” Representatives from the ruling parties Fidesz and KDNP, along with the small far-right opposition party “Our Homeland,” voted in favor of the law, while the other opposition parties opposed it. 

The justification for the new Bill makes it clear that its target is the opposition parties. They are accused of receiving funds from abroad, thereby violating even existing rules on party financing.  

Let me quote the legislative reasoning of the Bill: “Hungary’s sovereignty is increasingly under attack […]. For years, attempts to exert influence have been observed, where foreign organizations and individuals try to enforce their own interests in our country, contrary to Hungarian interests and rules. Already during the parliamentary election campaign in 2022, there were attempts to influence the elections with funds directly from abroad, as confirmed by the National Intelligence Service’s investigation into the united left-wing opposition.”  

Clear language, clear statement… 

The new “Bill on the Protection of Sovereignty” establishes the “Office for the Protection of Sovereignty,” which can conduct investigations at any institution, copying and taking away documents – even without judicial permission and control!  

The use of foreign funds in an election campaign is now considered a criminal offense punishable by imprisonment of up to 3 years. 

Is the entire law only a form of political rhetoric, or does it pose a real danger to independent institutions? 

The current law does not go so far as to label all institutions receiving foreign funds as “foreign agents” (following the Russian model). However, there is a risk that the new law represents the first step toward increased government control and restriction of independent organizations and media. 

Several independent media outlets protested in a joint letter against the new law, denouncing it as a gateway to “political arbitrariness.” 

Hungary as a Trojan Horse of the EU?

Sebastian Schäffer was interviewed by Eurasia Diary about the relation of Hungary with the EU. It is available in Azeri here.

Here are some excerpts in English:

„I don’t think that Viktor Oban is a Trojan horse of the Russian Federation inside the European Union. However, his actions and standpoint towards Ukraine, certainly serve the interest of Vladimir Putin. It is not the first time and it will unfortunately also not be the last time that the Hungarian Prime Minister is blackmailing Brussels. He needs the additional funds, and in order to unfreeze them he will not resort from using such despicable methods. It is politically, but also morally corrupt to try to gain a financial advantage on the backs of the Ukrainians who have been fighting for our freedom and our values and deserve not only the aid package, but also the opening of the negotiations that at least Orban didn’t veto, but he immediately after the decision has been taken (after he left the room as suggested by the German Chancellor) publicly denounced.“

Dynamics of the Visegrad Group. Navigating Political Shifts, Challenges and Prospects for EU Enlargement

The upcoming European Council meeting on December 14–15 will see key decisions made on EU enlargement – will the Visegrad Group (Czechia, Hungary, Poland, Slovakia) stay (dis)united? Kinga Brudzinska explains what can be expected in her newest piece on the IDM blog. 

The political differences in the Visegrad Four (V4) countries that emerged as a result of the elections in Poland (15 October 2023) and Slovakia (30 September 2023) will not significantly impact the dynamics of cooperation among the group. The format remains in crisis due to Hungary’s pro-Russia foreign policy stance and its sceptical approach to the EU’s pro-Ukraine policy direction.

The upcoming European Council meeting on December 14–15, which will see key decisions made on EU enlargement, will once again highlight the lack of unity and cohesion among V4 group members, with Hungary being the outlier. As a result, the V4 will continue to serve as a platform for regional cooperation, but one should not expect a revival of coordinated foreign or European policy as seen in response to the 2015 migration crisis or the “Nutella crisis” in 2017 when the V4 mobilised to fight against the “double standards” of imported food sold in their countries.

What is more, in the long run, the ideological differences are not likely to divide the countries that created the V4, regardless of the political preference of ruling governments. For example, the International Visegrad Fund (IVF), co-managed by V4 countries and supporting regional cooperation projects in the region, or formats such as Think Visegrad—V4 Think Tank Platform, a hub of V4 joint analysis, remain an important aspect of cooperation. On the other hand, there is a threat that due to persisting political differences, the individual V4 countries will seek to engage in alternative formats of regional cooperation. For example, Slovakia and the Czech Republic will most likely invest in the development of the Slavkov Triangle or Central Five Initiative (C5), involving Austria. Poland will focus on rebuilding relations within the Weimar Triangle and will remain active within the Three Seas Initiative (3SI) until the end of President Andrzej Duda’s term in 2025.

What will change and what will not

Poland and the Czech Republic will not allow Hungary, and perhaps Slovakia, to appropriate the V4 as a Eurosceptic or even anti-Western platform. Furthermore, Slovakia will not replace Poland to the same extent as an important partner in activating the V4 format or advocating Slovakia’s own position on the international stage. After its initial declaration, Slovakia will most probably not stick to all its electoral promises related to withholding military aid to Ukraine or pursuing a more assertive European policy. This is because Slovakia does not have a tradition of conducting proactive foreign policy, so it is unlikely Bratislava would use its veto power in Brussels to back Hungary. As the V4’s only eurozone country, Slovakia traditionally advocates for a constructive European policy based on consensus. Robert Fico demonstrated such an approach during his previous term.

Polish-Hungarian relations will not improve, and Hungary will be isolated within the V4 over Russia. Prime Minister Orban deliberately plays the role of a disruptor in the EU and NATO decision-making process, openly challenging the model of liberal democracy and steering the country towards an authoritarian regime. On the other hand, soon-to-be new/old Polish Prime Minister Donald Tusk is known for his critical stance towards Viktor Orban. Bilateral disputes between Slovakia and Hungary (related to Orban’s controversial historical policies) further complicate the situation and isolate Hungary within the V4.

The V4 also faces an image problem in the EU, with a prevailing negative perception of its member countries. Therefore, Poland is not likely to heavily leverage the V4 in the coming years. In recent years, other formats such as the Bucharest Nine (B9), Three Seas Initiative (3SI), Slavkov Triangle, or Central Five Initiative (C5) have gained prominence, with V4 countries actively participating.

Finally, Poland is not necessarily seen by other Visegrad countries as a leader in the region. Poland’s reputation has also been damaged due to the deterioration of the rule of law (Slovakia, under the previous government, became more sceptical of Poland’s actions and pushed V4 activities aside) and the conflict with the Czech Republic over the Turow coal mine.

To sum up, looking back on 2023 and trying to foresee the developments on the international stage in 2024, we can be sure that the V4 will stay on the map of regional groupings in the EU in the years to come and will keep being used as a passive platform for regional cooperation. However, one should not expect a revival of coordinated foreign or European policy among the V4 unless Hungary adjusts its stance on Russia to align with the European mainstream.

Über die neue Anti-EU-Kampagne der ungarischen Regierung

Peter Techet sprach mit der französischen Tageszeitung „La Croix“ über die neue Kampagne, die die ungarische Regierung gegen Ursula von der Leyen und den Sohn von George Soros, Alex Soros lanciert hatte. Techet analysierte dabei auch die neuerliche Verfassungsänderung, welche einen ideologisch motivierten, verstärkten Schutz der „Souveränität“ vorsieht.

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