Was sagen Sie zur EU-Erweiterung?

Zwischen 6. und 9. Juni werden EU-weit Mitglieder des Europäischen Parlaments gewählt. Die Wahlbeteiligung ist oft niedriger als bei den nationalen Wahlen. Diesbezüglich haben wir den Referenten unseres Events: “20 Jahre EU-Osterweiterung & EU-Wahlen 2024: Bilanz und Ausblick aus dem Donauraum”, das am 22. Mai stattfindet, ein paar Fragen zur EU-Wahl, aber auch EU-Erweiterung(en) gestellt.

Frage 1:

Warum sollten wir die EU-Wahlen nicht unterschätzen?

2024 ist ein Superwahljahr im wahrsten Sinne des Wortes. In den USA und der EU werden die Weichen für die nächsten Jahre gestellt: Wir sind mitten im größten Transformationsprozess seit 1945. Die EU-Wahl entscheidet, wie wir diesen Prozess gestalten.

– OTHMAR KARAS 

Die Europäische Union, unsere Europäische Union, ist für die Bewältigung der großen künftigen Herausforderungen alternativlos. Die vom Rat der EU gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beschlossenen EU-Gesetze haben direkten Einfluss auf unser tägliches Leben: ob es um verstärkte Rechte für Konsumentinnen und Konsumenten, Chancen für Unternehmen, Mobilität für junge Menschen oder länderübergreifende Themen wie Digitalisierung, Klimawandel oder Handel geht.

– MARTIN EICHTINGER

 

Frage 2:

Was waren die größten Erfolge der EU-Osterweiterung 2004

Mit der Osterweiterung wurde die jahrzehntelange Spaltung Europas endgültig überwunden. Diese Wiedervereinigung Europas war ein bedeutender Schritt für ein neues, modernes und zukunftsorientiertes Europa. Österreich ist damit vom Rand der Union in das geografische Zentrum gerückt.

– BENITA FERRERO-WALDNER

For our region, it was a pivotal moment that fostered international cooperation and granted us the right to co-create our joint European project. It has also facilitated access to EU funds, which have significantly contributed to regional development and prosperity.

– JURAJ DROBA

Es wurde eine neue Heimat in Europa geschaffen, ein Ort des empfindsamen Zusammenkommens. Was immer zusammengehörte, ist endlich zusammengewachsen. Dialog, Aufmerksamkeit, und mehr Frauen in der Politik, ökonomische Sicherheit, freies Reisen ohne Grenzen. Und das Wichtigste war der Frieden.

– NOEMI KISS

Die letzten Überbleibsel des eisernen Vorhangs wurden entfernt. Von der freien Bewegung der Bürger, Waren, des Kapitals und der Dienstleistungen haben alle Europäer, einschließlich der Tschechen und Österreicher, enorm profitiert – und nicht nur wirtschaftlich.

– JIRI SITLER

Frage 3:

Was haben Sie sich von der EU-Osterweiterung erhofft, was auch eingetreten ist?

Aus alten Nachbarn sind neue Partner geworden, mit denen wir das Friedensprojekt Europa weiterentwickeln, auch wenn es in manchen Bereichen unterschiedliche Auffassungen gibt. Abgesehen von der Zusammenarbeit im politischen Bereich, sind es vor allem die enge wirtschaftliche Verflechtung sowie die immer stärker werdenden Kontakte der Zivilgesellschaft und das Zusammenwachsen der Grenzregionen.

– BENITA FERRERO-WALDNER

The EU accession has literally opened the door to Europe for our region. Thanks to cross-border cooperation with our partners, it has also facilitated the implementation of numerous projects, cultural exchanges, knowledge-sharing, and partnerships.

– JURAJ DROBA

Die Euphorie ist vorbei, es gibt Kritik und neue Herausforderungen. Der Alltag in der EU ist für viele Menschen hart. Ich als Autorin habe mich immer für die Peripherie interessiert. Dort zu sein war für mich immer spannender als im Zentrum. Empfindsamkeit hat sich bei mir mit vielen Reisen eingestellt. Zuschauen, zuhören, migrieren. In der Ukraine, Rumänien, Bulgarien, Serbien, im Kaukasus und in den Karpaten. Überall gibt es Abseits, Öde, Orte ohne Menschen oder Menschen ohne Ort, auch im Westen. Überall gibt es Menschen, die die Heimat verlassen. Das hat mich immer interessiert. Ich hoffe, ich kann auf der Tagung meine gesammelten Beobachtungen teilen.

Jeder Mensch hat einen Glauben an die Zukunft, auch Politiker tragen dafür Verantwortung. Wenn du Arbeiter bist, möchtest du gut bezahlt werden. Deshalb entsteht heftige Migration innerhalb der EU, denn westliche Länder brauchen Billigarbeiter. Die Länder, aus denen die Menschen verschwinden, geraten plötzlich in Gedankenkrisen. Die Länder, in denen plötzlich Migranten präsent sind, können genauso empfindlich reagieren. Politik wird häufig nach Wirtschaftsinteressen gemacht, und Kultur spielt leider nur selten eine Rolle.

Das muss man neu denken. Ich weiß nur, dass in meinem Land Ungarn die westliche Wirtschaft sehr präsent ist, was gute und schlechte Seiten hat. Wir waren sehr euphorisch beim Mauerfall und nach der Wende, in den letzten 30 Jahren hat sich die Gesellschaft aber rasch geändert. Als Konsequenz des Neoliberalismus sind heute besonders die Frauen verarmt; sie betrifft die Krise unmittelbar, doch wir haben kaum Politikerinnen im Parlament. Ich sehe auch positive Dinge, so hat sich beispielsweise die Zivilgesellschaft sehr verstärkt. Alte Parteien verschwinden, neue kommen hinzu. Heute haben die Politiker der Wende den Kontakt zur Gesellschaft völlig verloren, und die Opposition (Linke, Liberale) hat noch weniger Kontakt zu den Menschen. Es ist eine Trauerkrise, kein Demokratiedefizit. Darüber müssen wir nachdenken.

– NOEMI KISS

Die EU hat es möglich gemacht, die verbliebenen belastenden geschichtlichen Probleme aus der Politik zu entfernen: Misstrauen und manchmal sogar Feindschaft wurden durch Kooperation und Partnerschaft ersetzt. Wir haben es auch geschafft, den Blick der EU nach Osten zu rücken, z. B. mit dem Eastern Partnership Projekt während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft in 2009. Wir haben aber also erkannt, dass die EU keine Garantie der Sicherheit ist: das haben die lauwarmen Reaktionen der EU auf den russischen Imperialismus in 2009 und 2014 gezeigt. Das ändert sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor zwei Jahren, für die Sicherheit der EU (einschließlich der Staaten, die keine Nato-Mitglieder sind) muss aber immer noch die Nato sorgen.

– JIRI SITLER

Frage 4:

Ist die EU bereit für weitere Erweiterungen (und warum)?

Die EU wird ohne Erweiterung nie fertig sein – insbesondere jener des Westbalkan. Die EU ist bereit, die Staaten müssen es auch sein – und dann braucht es Reformschritte, wie das Ende der Einstimmigkeit. Die Konferenz zur Zukunft Europas hat hier klare Forderungen gestellt.

– OTHMAR KARAS

Die Erweiterung der Europäischen Union (vor allem um die Westbalkan-Staaten) ist aus geopolitischen, sicherheitspolitischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen ein Gebot der Stunde. Sie ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der EU. Es gibt in der Politik kein Vakuum. Der Einfluss anderer Akteure in der Region wächst. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sich das europäische Modell durchsetzt und nicht das russische oder chinesische. (Wir müssen Stabilität exportieren, nicht Instabilität importieren). Dabei müssen wir vom Entweder-Oder-Denken, d.h. Beitritt Ja-Nein wegkommen. Österreich hat dafür die graduelle Integration vorgeschlagen, die den Staaten die Möglichkeit gibt, an Teilbereichen des Binnenmarktes und bei Sitzungen zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik teilzunehmen. Es ist erfreulich, dass die Europäische Kommission bereits viele Bereiche dieser österreichischen Initiative übernommen hat. Die notwendigen Reformen der Europäischen Union dürfen kein Vorwand sein, um den europäischen Erweiterungsprozess zu verzögern.

– MARTIN EICHTINGER

Ich sehe schon Hinweise dafür. Denn die nachhaltige Sicherheit und der Wohlstand des europäischen Kontinents hängen unmittelbar von der weiteren Erweiterung der EU ab.

– VASYL KHYMYNETS

Wie wird das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament 2024 die Diskussionen über die EU-Erweiterung beeinflussen?

In Zeiten wie diesen, zeigt die EU ihre Stärke und Attraktivität. Diese bestehen vor allem in Freiheit, Demokratie und Wirtschaftskraft. Ich bin fester Überzeugung, dass die bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament diese Stärken und Werten hervorheben werden und das Fundament für die weitere EU-Erweiterung stärken werden.

– VASYL KHYMYNETS

IDM Director’s Lecture in Lviv

IDM representatives at the High Level Meeting in Uzhhorod

IDM Chairman Friedrich Faulhammer and IDM Director Sebastian Schäffer attended a High Level Meeting in Uzhhorod titled „Development perspectives in higher education cooperation between Austria and Ukraine“. Organised by the OeAD together with the Austrian Federal Ministry for Education, Science and Research, the Ukrainian Ministry of Education and Science as well as the National Erasmus+ Office of Ukraine, the event brought together representatives from the ministries as well as a variety of universities from both countries. Several crucial aspects were discussed, including working groups amongst others on „The role of universities in reconstruction“. Heartfelt accounts of destruction, displacement and death caused by the unjustified Russian aggression against Ukraine were inevitable also on the agenda.

As the meeting was hosted by our long-term cooperation partner within the Danube Rectors’ Conference (DRC) – the Uzhhorod National University – this was also a good occasion for the current DRC President and the DRC Secretary General to see Rector Volodymyr Smolanka again. We continue to stand with Ukraine and will further support our friends and partners in the region!

Péter Techet für TAZ über die kroatischen Wahlen

Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDM kommentierte die vorgezogenen kroatischen Parlamentswahlen in der bundesdeutschen Tageszeitung „taz“. Er meint, dass Zoran Milanović als Ministerpräsident zwar innenpolitisch eine gewisse Erneuerung in einem Land bedeuten könnte, das fest im Griff der konservativen Langzeitregierungspartei HDZ ist, aber außenpolitisch einen EU- und Nato-kritischen Kurs verfolgen würde.

Der Artikel kann hier gelesen werden.

IDM Short Insights 34: Presidential Elections in Slovakia

On 6 April 2024, the second round of presidential elections took place in Slovakia. Peter Pellegrini, the leader of the government coalition party HLAS, defeated Ivan Korčok, the opposition candidate. On location in Bratislava, Daniel Martínek analyses the main reasons behind Pellegrini’s victory and what implications it will have for both domestic politics and Slovakia’s position on the international stage.

 

Peter Techet für Le Figaro über die Chancen der neuen Bewegung gegen Orbán

In der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ sprach Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IDM über die Chancen der neuen, eher konservativen Bewegung von Péter Magyar, der Viktor Orbán herausfordern will. Techet meint, dass Magyar mit seiner konservativen Rhetorik und den Angriffen gegen die aktuelle Opposition vielleicht auch jetzige Fidesz-Wähler*innen erreichen kann, zumal ein Regimewechsel in Ungarn ohne einen Teil der konservativen Wählerschaft nicht möglich ist.

Der Artikel auf Französisch kann hier (hinter Paywall) gelesen werden.

Péter Techet über Orbáns möglichen neuen Herausforderer für „La Libre belgique“

In der belgischen Tageszeitung „La Libre belgique“ meinte Péter Techet, wissenschaftlicher Mitarbeiter des IDM, dass Péter Magyar, der in Ungarn eine neue Bewegung gegen Viktor Orbán aufbauen will, nicht nur für die Regierung, sondern auch für die Opposition gefährlich ist, weil er bis jetzt vor allem oppositionelle Wähler*innen ansprechen konnte.

Der Artikel auf Französisch kann hier (hinter Paywall) gelesen werden.